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Der Wanderer in der Sägemühle

Von

Dort unten in der Mühle
Saß ich in guter Ruh
Und sah dem Räderspiele
Und sah dem Wasser zu.

Sah zu der blanken Säge,
Es war mir wie ein Traum,
Die bahnte lange Wege
In einem Tannenbaum.

Die Tanne war wie lebend,
In Trauermelodie,
Durch alle Fasern bebend
Sang diese Worte sie:

Du trittst zur rechten Stunde,
O Wanderer! hier ein,
Du bist’s, für den die Wunde
Mir dringt ins Herz hinein.

Du bist’s, für den wird werden,
Wenn kurz gewandert du,
Dies Holz im Schoß der Erden,
Ein Schrein zur langen Ruh.

Vier Bretter sah ich fallen,
Mir ward ums Herze schwer,
Ein Wörtlein wollt‘ ich lallen,
Da ging das Rad nicht mehr.

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Gedicht: Der Wanderer in der Sägemühle von Justinus Kerner

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Wanderer in der Sägemühle“ von Justinus Kerner ist eine tiefgründige und symbolische Darstellung des Wanderns und der Begegnung mit der Natur. Zu Beginn des Gedichts beschreibt der Sprecher eine ruhige, fast meditative Szene, in der er dem Räderspiel der Mühle und dem fließenden Wasser zuschaut. Diese Szenerie steht für den Rhythmus und die Beständigkeit des Lebens, der in der Bewegung des Wassers und der Maschinen sichtbar wird.

Die Aufmerksamkeit des Wanderers wird schließlich auf die „blanke Säge“ gelenkt, die mit ihrer kraftvollen Bewegung „lange Wege“ in einen Tannenbaum schneidet. Die Tanne, die als Symbol für Leben und Natur steht, erscheint fast lebendig, als sie in einer „Trauermelodie“ von der Säge durchdrungen wird. Die Worte der Tanne, die der Wanderer zu hören glaubt, sind von einer tragischen Weisheit geprägt: Sie spricht von der „Wunde“, die der Wanderer ihr zufügt, indem er sie zur rechten Stunde betritt und in ihr ein „Schrein zur langen Ruh“ entsteht.

Die Tanne wird hier zum Symbol für Opfer und den Kreislauf des Lebens. Ihre „Wunde“ und das „Holz im Schoß der Erden“ stellen eine Metapher für den Tod und die Bestimmung dar. Die Tanne „lebt“ in der Erinnerung des Wanderers weiter, und der Baum, der einst in der Natur stand, wird zu einem „Schrein“ – einem Ort der Erinnerung und des Gedenkens. Diese Verwandlung von lebendigem Holz in einen Ort der „langen Ruh“ symbolisiert den Übergang vom Leben zum Tod, der in jeder Handlung, jedem Schnitt, der Säge und dem natürlichen Ablauf des Lebens enthalten ist.

Der plötzliche Stillstand des Rades, der das Gedicht abschließt, verstärkt das Gefühl der Unvermeidlichkeit und der Endgültigkeit. Der Wanderer wollte etwas sagen, ein „Wörtlein“ lallen, aber der Moment ist vergangen, und das Rad bewegt sich nicht mehr. Dies könnte als Symbol für die Unaufhaltsamkeit des Lebens und der Zeit verstanden werden, in der jede Bewegung, jede Handlung einen unaufhaltbaren Fluss nach sich zieht. Es erinnert uns daran, dass der Mensch oft nur passiv in den natürlichen Ablauf eingeordnet ist, und dass der Tod ebenso wie das Leben Teil eines ewigen Kreislaufs ist.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.