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Die Jungfrau

Von

Hier ruht die Jungfrau Lisa Gütersloh,
Mein Gott, sie tat nur immer so.
In der letzten Nacht noch haben sie gesehn
Einen Schlächtergesellen auf ihr Zimmer gehn.
Doch auf dem Fuße folgte die Strafe diesem Graus:
Es war des Morgens um halb vier,
Da blies derselbe Schlächter ihr
Mit seinem Schlächtermesser
Das Lebenslämpchen aus.

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Gedicht: Die Jungfrau von Klabund

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Jungfrau“ von Klabund präsentiert eine makabre und satirische Beobachtung des Todes einer jungen Frau namens Lisa Gütersloh. Der erste Vers, „Hier ruht die Jungfrau Lisa Gütersloh,“ etabliert sofort die Thematik des Todes und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verstorbene. Die ironische Bemerkung „Mein Gott, sie tat nur immer so“ deutet bereits auf eine moralische Ambivalenz in Bezug auf Lisas Verhalten und suggeriert, dass ihr Tod möglicherweise eine Folge ihrer Taten ist.

Der zweite Teil des Gedichts beschreibt die Ereignisse, die zu Lisas Tod führten. Die klare Sprache und die direkte Darstellung des Geschehens – „In der letzten Nacht noch haben sie gesehn / Einen Schlächtergesellen auf ihr Zimmer gehn“ – schaffen eine düstere Atmosphäre. Der Schlächtergeselle, dessen Berufszweig mit dem Töten von Tieren assoziiert wird, betritt Lisas Zimmer, was bereits eine Bedrohung darstellt. Die Erwähnung der Zeit, „Es war des Morgens um halb vier,“ verstärkt die kalte, nüchterne Darstellung des Mordes.

Die entscheidende Wendung erfolgt im letzten Teil, in dem der Schlächter Lisas Leben mit seinem Messer auslöscht: „Da blies derselbe Schlächter ihr / Mit seinem Schlächtermesser / Das Lebenslämpchen aus.“ Diese Zeilen verwenden eine metaphorische Sprache, um den Mord zu beschreiben. Das „Lebenslämpchen“ symbolisiert Lisas Leben, und das Auslöschen dieses Lämpchens durch den Schlächter unterstreicht die Brutalität und das tragische Ende. Der Reim und der einfache Sprachstil verstärken den Kontrast zwischen der scheinbar harmlosen Oberfläche und der brutalen Realität.

Klabunds Gedicht lässt sich als eine Satire auf die Moralvorstellungen der Zeit lesen. Es stellt die Frage nach Schuld und Unschuld und enthüllt eine Welt, in der scheinbare Unschuld nicht vor dem Tod schützt. Die Ironie des Gedichts liegt darin, dass es die Leserschaft dazu zwingt, über die Verhaltensweisen und ihre möglichen Konsequenzen nachzudenken, ohne eine eindeutige moralische Bewertung abzugeben. Die Kürze und Prägnanz des Gedichts verstärken seine Wirkung und machen es zu einer eindringlichen Betrachtung des Lebens, des Todes und der menschlichen Natur.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.