An Eusebio
Vergib, o Freund! daß ich mit kind′scher Sprache,
Aus deines Herzens tiefem Heiligthume,
Akkorde leise nachzulallen wage,
Beim Höchsten aber schülerhaft verstumme.
Und reden möcht′ ich doch zu deinem Ruhme,
Vergib der Kühnheit, daß ich nicht verzage.
Den Sommer mein′ ich mit der Einen Blume,
Und Einen Strahl entwand ich nur dem Tage.
Doch die Natur in ihrer heil′gen Fülle
Sie offenbart sich ganz in jedem Handeln,
Das höchste Leben in der tiefsten Stille.
Erhascht′ ich einen Zug aus deinem Bilde,
Wie reichlich auch Gedanken in dir wandeln,
So bist du′s ganz in deiner frommen Milde.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „An Eusebio“ von Karoline von Günderode ist eine zutiefst ehrerbietige und liebevolle Huldigung an eine Person namens Eusebio. Es ist ein Bekenntnis zur Bewunderung und dem Wunsch, sich mit der Größe des Angebeteten auseinanderzusetzen, aber auch eine Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit. Die Dichterin fühlt sich als Schülerin, die versucht, die tiefen Weisheiten des Freundes nachzuahmen, jedoch in Ehrfurcht vor dessen „Heiligthume“ verstummt.
Die ersten acht Zeilen spiegeln die Ambivalenz der Dichterin wider. Sie bittet um Vergebung für ihren „kind’schen Sprache“, die sie als unzureichend empfindet, um die Tiefe der Gedanken und Gefühle Eusebios zu erfassen. Gleichzeitig sehnt sie sich danach, „zu deinem Ruhme“ zu sprechen, also ihre Bewunderung auszudrücken. Die Metaphern „Sommer“, „Blume“ und „Strahl“ deuten auf eine ästhetische Annäherung an Eusebio hin, ein Versuch, dessen Wesen in Bildern zu erfassen, aber auch auf eine begrenzte Wahrnehmung, die nur einen Bruchteil des Ganzen erfasst. Sie nimmt wahr, dass sie nur einen „Strahl entwand“, also nur einen kleinen Ausschnitt erhaschen konnte, um die Größe von Eusebio zu beschreiben.
Die letzten vier Zeilen bieten die Auflösung dieser Ambivalenz. Günderode argumentiert, dass die Natur, also Eusebios Wesen, sich in seiner „heil’gen Fülle“ in jedem Handeln manifestiert. Das „höchste Leben“ findet sich in der scheinbar „tiefsten Stille“, was darauf hindeutet, dass Eusebios wahre Größe in seiner Innerlichkeit, seiner „frommen Milde“ liegt. Die Dichterin erkennt, dass sie, indem sie einen „Zug aus deinem Bilde“ erhaschte, also einen Aspekt von ihm erfassen konnte, das ganze Wesen Eusebios erfasst hat.
Das Gedicht ist ein Beispiel für die Romantik, in der Verehrung und die Idealisierung des Individuums eine große Rolle spielten. Günderode drückt hier nicht nur ihre Bewunderung für Eusebio aus, sondern auch eine tiefe Sehnsucht nach spiritueller Verbindung und Erkenntnis. Die Form ist präzise, der Reim- und Metrenwechsel unterstreichen die innere Spannung der Dichterin zwischen Ehrfurcht und dem Wunsch, ihren Respekt auszudrücken. Die Verwendung von einfachen, aber eindrucksvollen Bildern zeugt von der Fähigkeit der Autorin, komplexe Emotionen in Worte zu fassen.
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Lizenz und Verwendung
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