Ich, Kalliopens oft heimlich entflohener
Jünger, der ich, zu lange! dir,
Strenge Kritika, dir, Schwester der eitelen
Pansophia, gefolget bin,
Kehre reuevoll um, eile voll Sehnsucht der
Allgefälligen Göttinn zu.
Denn mein Tadel, obgleich ganz in den lautersten
Honig eingetaucht, schmerzete
Meinen Selim; und noch schwäret sein krankes Herz.
Ja! nun weih ich mich ewig der
Holden Muse! Mit ihr sang ich der Wälder Lob,
Sang Lyäens und Amors Lob:
Und mich liebte mein Freund. O! sich geliebt zu sehn,
Welche Seligkeit! Liebe, dich
Tauscht mein trunkener Geist nicht um das Zeigen mit
Fingern, um der Versammelung
Händeklatschen, des Volks ehrebezeugendes
Aufstehn; dich um Gespräche mit
Grossen Königen nicht, noch um die schmeichelnde
Tafel ihrer Gewaltigen.
Die Wiederkehr
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Wiederkehr“ von Karl Wilhelm Ramler ist eine poetische Selbsterklärung und ein Bekenntnis zur Kunst und Liebe. Der Sprecher, ein ehemaliger Anhänger der kritischen Vernunft (verkörpert durch die „Strenge Kritika“ und ihre Schwester, die „eitelen Pansophia“), wendet sich reumütig von diesen ab und kehrt zur Muse Kalliope, der Quelle der Inspiration und Schönheit, zurück.
Die ersten Verse des Gedichts zeigen die Reue des Sprechers über seine Abkehr von der Kunst. Er erkennt, dass sein kritischer Ansatz, obwohl er in „lautersten Honig eingetaucht“ war, seinem „Selim“ (offenbar ein Freund oder ein Teil seiner selbst) Schmerzen zugefügt hat. Diese Aussage deutet auf die Erkenntnis hin, dass übermäßige Vernunft und Kritik die Freude und Erfüllung, die aus der Kunst entstehen können, behindern. Die Sehnsucht nach der „Allgefälligen Göttinn“ (Kalliope) und die Erwähnung des „kranken Herzens“ des Selim betonen die emotionale Leere und das Leid, das durch die Abkehr von der Kunst entstanden ist.
Der zweite Teil des Gedichts ist ein enthusiastisches Bekenntnis zur Liebe und zur Kunst. Der Sprecher gelobt, sich der „Holden Muse“ ewig zu widmen. Er preist die Freuden der Kunst, wie das Singen des Lobes der Natur und der Liebe, und betont die tiefe Befriedigung, die aus der Liebe und dem Geliebtwerden entsteht. Die Erwähnung von Lyäens (vermutlich eine Anspielung auf die griechische Lyrik) und Amor unterstreicht die Bedeutung von Liebe und Schönheit in der Kunst.
Das Gedicht kulminiert in einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Liebe, das alle weltlichen Freuden übertrifft. Der Sprecher lehnt die „Versammlung“ mit ihren „Händeklatschen“ und dem „ehrebezeugenden Aufstehn“ ab, ebenso wie die Gespräche mit Königen und die „schmeichelnde Tafel ihrer Gewaltigen“. Er bevorzugt die Liebe und die Kunst über alle weltlichen Belohnungen und Auszeichnungen. Diese Zeilen verdeutlichen die Überzeugung des Sprechers, dass wahre Erfüllung nur in der Kunst und in der Liebe zu finden ist und dass diese Werte über alle anderen gestellt werden sollten.
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