Erstes Grün
Du junges Grün, du frisches Gras!
Wie manches Herz durch dich genas,
Das von des Winters Schnee erkrankt,
Oh wie mein Herz nach dir verlangt!
Schon wächst du aus der Erde Nacht,
Wie dir mein Aug′ entgegen lacht!
Hier in des Waldes stillem Grund
Drückt′ ich dich, Grün, an Herz und Mund.
Wie treibt′s mich von den Menschen fort!
Mein Leid, das hebt kein Menschenwort,
Nur junges Grün ans Herz gelegt,
Macht, daß mein Herze stiller schlägt.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Erstes Grün“ von Justinus Kerner ist eine poetische Reflexion über die heilende und beruhigende Kraft der Natur, speziell des jungen Grüns, auf das menschliche Herz. Das Gedicht beginnt mit einer direkten Anrede an das junge Grün, was eine persönliche und intime Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und der Natur herstellt. Durch die wiederholte Betonung des „Grün“ wird dessen Bedeutung als Quelle der Genesung und des Trostes hervorgehoben. Die Beschreibung des Grüns als „frisch“ und die Frage, wie viele Herzen dadurch genesen sind, lassen eine Erfahrung von Erneuerung und Hoffnung erkennen, die von der Natur ausgeht.
Im zweiten Teil des Gedichts wird die Natur als ein Ort der Zuflucht und des Trostes beschrieben. Das lyrische Ich, das von den Widrigkeiten des Lebens gequält wird, findet im Kontakt mit dem jungen Grün eine Linderung seines Leids. Der Kontrast zwischen der „Erde Nacht“ und dem hervorsprießenden Grün symbolisiert den Übergang von Dunkelheit zu Licht, von Hoffnungslosigkeit zu Erneuerung. Die Zeilen „Drückt‘ ich dich, Grün, an Herz und Mund“ verdeutlichen die tiefe, fast körperliche Verbundenheit, die das lyrische Ich mit der Natur verspürt. Diese Geste der Umarmung unterstreicht die heilende Wirkung des Grüns.
Die letzten Zeilen offenbaren die tiefe Abneigung des lyrischen Ichs gegen die Menschenwelt, aus der es sich zurückzieht. Die Zeile „Mein Leid, das hebt kein Menschenwort“ unterstreicht die Unfähigkeit der menschlichen Worte, den Schmerz zu lindern. Nur die Natur, personifiziert durch das „junge Grün“, besitzt die Fähigkeit, das Herz des lyrischen Ichs zu beruhigen und seinen Takt zu verlangsamen. Dies verdeutlicht die Überlegenheit der Natur als Quelle des Trostes und der Heilung gegenüber der Welt der Menschen, die als Quelle des Leids wahrgenommen wird.
Insgesamt ist „Erstes Grün“ ein Ausdruck der Sehnsucht nach Einfachheit und Natürlichkeit. Kerner nutzt eine einfache, doch eindringliche Sprache, um die heilsame Wirkung der Natur auf die menschliche Seele darzustellen. Das Gedicht ist ein Plädoyer für die Flucht vor der Komplexität der menschlichen Beziehungen in die tröstliche Umarmung der Natur, die als Quelle von Heilung, Hoffnung und innerem Frieden dient. Es spiegelt die romantische Idealisierung der Natur wider, die als Gegenpol zur als leidvoll empfundenen Zivilisation dient.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.