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Jagdlied

Von

Durch schwankende Wipfel
Schießt güldner Strahl,
Tief unter den Gipfeln
Das neblige Tal.

Fern hallt es am Schlosse,
Das Waldhorn ruft,
Es wiehern die Rosse
In die Luft, in die Luft!

Bald Länder und Seen
Durch Wolkenzug
Tief schimmernd zu sehen
In schwindelndem Flug,
Bald Dunkel wieder
Hüllt Reiter und Roß,
O Lieb, o Liebe
So laß mich los! –

Immer weiter und weiter
Die Klänge ziehn,
Durch Wälder und Heiden
Wohin, ach wohin?

Erquickliche Frische!
Süß-schaurige Lust!
Hoch flattern die Büsche,
Frei schlägt die Brust.

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Gedicht: Jagdlied von Joseph von Eichendorff

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Jagdlied“ von Joseph von Eichendorff entfaltet in seinen fünf Strophen das Bild einer wilden Jagd, die sowohl äußerlich als auch innerlich als Metapher für ein Gefühl der Freiheit und des Rausches steht, aber auch eine Ahnung von Vergänglichkeit und dem Drang nach Selbstaufgabe birgt. Der Dichter malt eine Szenerie, die zunächst von der Bewegung der Sonne und des Nebels geprägt ist, die über die Landschaft ziehen, und dann durch die Klänge des Waldhorns und das Wiehern der Pferde belebt wird, was die Atmosphäre der Jagd ankündigt. Die bildhafte Sprache vermittelt eine unmittelbare Sinneserfahrung, die den Leser in den Sog der Jagd zieht.

In der zweiten Strophe, wenn „Länder und Seen/ Durch Wolkenzug/ Tief schimmernd zu sehen“ sind, weitet sich der Blick, und die Jagd scheint über die reine körperliche Bewegung hinaus eine transzendentale Qualität zu erlangen. Der Reiter blickt auf die Welt, während er sie durchfliegt, gefangen in einer Mischung aus Schwindel und Freiheit, die in dem Ausruf „O Lieb, o Liebe/ So laß mich los!“ gipfelt. Dieser Moment der Sehnsucht, der Wunsch nach Ablösung, deutet auf eine tiefere innere Unruhe hin, die in der Flucht vor der Welt ihre Erfüllung sucht. Hier wird die Jagd zu einem Symbol für die Suche nach Befreiung von emotionalen Bindungen und Zwängen.

Die dritte Strophe verstärkt den unaufhaltsamen Drang, indem sie das „Immer weiter und weiter“ des Geschehens betont und die Frage nach dem „Wohin, ach wohin?“ der Jagd stellt. Diese Frage deutet auf ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und des Ziellosen hin, das mit der Suche nach Freiheit einhergeht. Der Leser wird dazu eingeladen, über die wahren Beweggründe der Jagd nachzudenken und die Suche nach einem Ziel zu hinterfragen, das sich dem Jäger entzieht.

Die abschließende Strophe greift die Elemente der „erquickliche Frische“ und der „süß-schaurige Lust“ auf, um das widersprüchliche Gefühl der Jagd zusammenzufassen. Die „frei schlagende Brust“ symbolisiert das Gefühl der Freiheit, das mit der Jagd einhergeht, aber das Wort „süß-schaurig“ deutet auf ein Gefühl von Unbehagen und Vergänglichkeit hin. Die Jagd ist also eine Erfahrung, die sowohl Freude als auch Angst hervorrufen kann, und letztlich eine Metapher für die menschliche Suche nach Erfüllung und das Wissen um deren Flüchtigkeit. Das Gedicht ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Romantik, die Sehnsucht, Naturverbundenheit und das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Verlorenheit in sich vereint.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.