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Todtengräberlied

Von

Grabe, Spaden, grabe,
Alles was ich habe
Dank ich, Spaden, dir!
Reich‘ und arme Leute
Werden meine Beute,
Kommen einst zu mir!

Weiland groß und edel,
Nickte dieser Schedel
Keinem Gruße Dank!
Dieses Beingerippe,
Ohne Wang‘ und Lippe,
Hatte Gold und Rang!

Jener Kopf mit Haaren
War vor wenig Jahren
Schön wie Engel sind!
Tausend junge Fentchen
Leckten ihm das Händchen,
Gafften sich halb blind!

Grabe, Spaden, grabe,
Alles was ich habe
Dank ich, Spaden, dir!
Reich‘ und arme Leute
Werden meine Beute,
Kommen einst zu mir!

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Gedicht: Todtengräberlied von Ludwig Christoph Heinrich Hölty

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Todtengräberlied“ von Ludwig Christoph Heinrich Hölty ist eine kritische und ironische Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und den gesellschaftlichen Unterschieden, die in der Stunde des Todes aufgehoben werden. In der ersten Strophe gibt der Sprecher eine Anweisung an den „Spaden“ (den Grabstein oder den Grabgräber), der den letzten Rest des Besitzes des Verstorbenen, sei es Reichtum oder Armut, aufnehmen wird. Der Sprecher erkennt an, dass letztlich sowohl „reiche“ als auch „arme Leute“ in das Grab gelangen werden und somit „Beute“ des Todes werden.

Die zweite Strophe lenkt den Blick auf den Körper des Verstorbenen und verweist auf die einstige Bedeutung dieses Körpers, der von „Gold und Rang“ begleitet war. Der „Schedel“ (Schädel) und das „Beingerippe“ (Bein) erinnern an die zerfallene Hülle, die einst das Leben und die Macht eines Menschen trug. Diese Strophe verdeutlicht die ironische Wendung, dass der Mensch, der früher mächtig war, nun in einem Zustand völliger Hilflosigkeit und Vergänglichkeit vorliegt – der Verfall hat alles hinweggefegt, was ihm einst Bedeutung verlieh.

Die dritte Strophe beschreibt den Verlust der körperlichen Schönheit, die der Tote einst besaß. Der Kopf war „vor wenig Jahren“ noch schön wie ein Engel, und junge Frauen „leckten ihm das Händchen“, was auf die Verehrung und Aufmerksamkeit hinweist, die der Lebende genoss. Diese Strophe erinnert an die Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes zu Lebzeiten und stellt kontrastierend dazu den völligen Verlust dieser Schönheit im Tod dar.

Die wiederholte Zeile „Grabe, Spaden, grabe“ verdeutlicht die endgültige Ankunft des Todes und das Loslassen aller irdischen Dinge, die der Tote einst besaß. Der Tod ist die letzte Instanz, in der alle Unterschiede zwischen „reich und arm“ aufgehoben werden. Der Reichtum, die Macht und das Aussehen, die im Leben wichtig schienen, verlieren ihre Bedeutung im Angesicht des Todes.

Insgesamt ist das Gedicht eine bittere Reflexion über die Vergänglichkeit menschlichen Stolzes, Reichtums und Ansehens. Hölty benutzt die einfache Darstellung des Todes, um eine tiefe, gleichmachende Wahrheit über das menschliche Leben und den endgültigen Gleichstand aller Menschen vor dem Tod zu vermitteln. Es erinnert uns daran, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status, dem gleichen Schicksal entgegensehen – der Tod, der keine Unterschiede macht und alles Irdische hinwegfegt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.