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Der Halligmatrose

Von

Kaptain, ich bitt‘ euch, laßt mich fort,
O lasset mich frei, sonst lauf ich von Bord,
Ich muß heim, muß heim nach der Hallig!
Schon sind vergangen drei ganze Jahr,
Daß ich stets zu Schiff, daß ich dort nicht war,
Auf der Hallig, der lieben Hallig.

Nein, Jasper, nein, das sag‘ ich dir,
Noch diese Reise machst du mit mir,
Dann darfst du gehn nach der Hallig.
Doch sage mir, Jasper, was willst du dort?
Es ist ein so öder, armseliger Ort,
Die kleine, einsame Hallig.

Ach, mein Kapitän, dort ist’s wohl gut,
Und an keinem Ort wird mir so zumut,
So wohl als auf der Hallig;
Und mein Weib hat um mich manch traurige Nacht,
Hab‘ so lang nicht gesehn, wie mein Kind mir gelacht
Und Haus und Hof auf der Hallig.

Es ist gekommen ein böser Tag,
Ein böser Tag für die Hallig;
Eine Sturmflut war wie nie vorher,
Und das Meer, das wildaufwogende Meer,
Hoch ging es über die Hallig.

Doch sollst du nicht hin, vorbei ist die Not,
Dein Weib ist tot, und dein Kind ist tot,
Ertrunken beid‘ auf der Hallig.
Auch die Schafe und Lämmer sind fortgespült,
Auch dein Haus ist fort, deine Wurt zerwühlt;
Was wolltest du tun auf der Hallig?

Ach Gott, Kapitän, ist das geschehn!
Alles soll ich nicht wiedersehn,
Was lieb mir war auf der Hallig?
Und ihr fragt mich noch, was ich dort will tun?
Will sterben und im Grase ruhn
Auf der Hallig, der lieben Hallig.

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Gedicht: Der Halligmatrose von Hermann Allmers

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Halligmatrose“ von Hermann Allmers schildert in dialogischer Form das tragische Schicksal eines Seemanns, der nach Jahren auf See von tiefer Sehnsucht nach seiner Heimat, der Hallig, getrieben wird. Das lyrische Ich, ein einfacher Matrose namens Jasper, bittet eindringlich darum, heimkehren zu dürfen – nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Liebe zu seiner Familie und dem Bedürfnis nach Rückkehr in die vertraute Heimat.

Der Kontrast zwischen dem nüchternen Kapitän und dem emotional aufgewühlten Jasper verstärkt die Dramatik des Gedichts. Während der Kapitän rational und abwägend auf die Bitten reagiert, steht Jasper ganz unter dem Einfluss tiefer Gefühle: Heimatliebe, Sorge um seine Familie und ein fast kindlicher Wunsch nach Geborgenheit. Die wiederholte Nennung der „lieben Hallig“ unterstreicht Jaspers innere Verbundenheit mit dem abgelegenen, kargen Landstrich.

Die Wendung kommt mit der Nachricht von einer verheerenden Sturmflut, die die Hallig heimgesucht hat. In wenigen knappen, eindringlichen Zeilen wird das gesamte Leben Jaspers zerstört: Frau, Kind, Haus, selbst das Vieh – alles ist verloren. Diese lakonische, fast spröde Schilderung steigert die Wirkung der Tragödie und lässt dem Leser Raum, das Entsetzen selbst nachzuempfinden.

Trotz des vollständigen Verlustes bleibt Jaspers Wunsch bestehen: Er will zurückkehren, nicht mehr um zu leben, sondern um zu sterben – um „im Grase zu ruhn“ auf der Hallig. Diese letzte Zeile verleiht dem Gedicht eine melancholisch-resignative Tiefe. Die Hallig wird hier endgültig zum Symbol nicht nur für Heimat, sondern auch für Herkunft, Verlust und letzte Ruhe. So entfaltet das Gedicht eine stille, aber kraftvolle Elegie auf das menschliche Bedürfnis nach Zugehörigkeit – selbst im Angesicht des Todes.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.