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Dauer im Wechsel

Von

Hielte diesen frühen Segen,
Ach, nur eine Stunde fest!
Aber vollen Blütenregen
Schüttelt schon der laue West.
Soll ich mich des Grünen freuen,
Dem ich Schatten erst verdankt?
Bald wird Sturm auch das zerstreuen,
Wenn es falb im Herbst geschwankt.

Willst du nach den Früchten greifen,
Eilig nimm dein Teil davon!
Diese fangen an zu reifen,
Und die andern keimen schon;
Gleich mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal,
Ach, und in demselben Flusse
Schwimmst du nicht zum Zweitenmal.

Du nun selbst! Was felsenfeste
Sich vor dir hervorgetan,
Mauern siehst du, siehst Paläste
Stets mit andern Augen an.
Weggeschwunden ist die Lippe,
Die im Kusse sonst genas,
Jener Fuß, der an der Klippe
Sich mit Gemsenfreche maß.

Jene Hand, die gern und milde
Sich bewegte, wohlzutun,
Das gegliederte Gebilde,
Alles ist ein andres nun.
Und was sich an jener Stelle
Nun mit deinem Namen nennt,
Kam herbei wie eine Welle,
Und so eilt′s zum Element.

Laß den Anfang mit dem Ende
Sich in eins zusammenzieh′n!
Schneller als die Gegenstände
Selber dich vorüberflieh′n.
Danke, daß die Gunst der Musen
Unvergängliches verheißt:
Den Gehalt in deinem Busen
Und die Form in deinem Geist.

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Gedicht: Dauer im Wechsel von Johann Wolfgang von Goethe

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Dauer im Wechsel“ von Johann Wolfgang von Goethe thematisiert die Vergänglichkeit des Lebens und der Welt, wobei es verschiedene Aspekte dieser Thematik beleuchtet. Das Gedicht beginnt mit der Beobachtung der Natur, in der die Schönheit des Augenblicks nur kurzweilig ist, wie der Blütenregen, der vom Wind verweht wird. Diese Beobachtung dient als Grundlage für die Erkenntnis, dass alles im Fluss ist und sich ständig verändert, sowohl in der äußeren Welt als auch im Inneren des Menschen.

Der zweite Abschnitt erweitert diese Betrachtung auf die Früchte, die reifen und vergehen, und verweist damit auf die ständige Veränderung und den Kreislauf von Werden und Vergehen. Die Metapher des Flusses, in dem man nicht zweimal schwimmen kann, verdeutlicht die Unaufhaltsamkeit des Wandels und die Unmöglichkeit, den gleichen Zustand ein zweites Mal zu erleben. Diese Vergänglichkeit erstreckt sich auch auf menschliche Erfahrungen und Beziehungen, wie im dritten Teil des Gedichts betont wird. Die physische Veränderung des eigenen Körpers und das Erleben neuer Perspektiven verdeutlichen die Dynamik des Lebens.

Im letzten Abschnitt wird die Notwendigkeit der Akzeptanz des Wandels betont. Die Verse fordern auf, den Anfang und das Ende zu vereinen und die rasche Veränderung zu akzeptieren. Die Quintessenz des Gedichts liegt in der Dankbarkeit für die Kunst und die Muse, die dazu beitragen, Unvergängliches zu schaffen. Das wahre Erbe des Menschen ist der „Gehalt in deinem Busen“ und die „Form in deinem Geist“, also die inneren Werte und die kulturellen Errungenschaften, die über die Vergänglichkeit des Körpers hinaus Bestand haben.

Goethe verbindet in diesem Gedicht Naturbetrachtung, philosophische Reflexion und menschliche Erfahrung zu einem tiefgründigen Werk. Die Metaphorik von Natur und Fluss dient dazu, die universelle Erfahrung der Vergänglichkeit zu veranschaulichen. Der Appell, die Vergänglichkeit anzunehmen und sich auf das bleibende Innere zu konzentrieren, ist eine zentrale Botschaft. Das Gedicht fordert dazu auf, das Leben in seiner Ganzheit zu erfassen, sowohl die flüchtigen Freuden als auch die unausweichlichen Verluste, und dabei die bleibenden Werte von Kunst und Geist zu schätzen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.