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Das fröhliche Leben

Von

Wenn ich auf die Wiese komme,
Wenn ich auf dem Felde jetzt,
Bin ich noch der Zahme, Fromme,
Wie von Dornen unverletzt.
Mein Gewand in Winden wehet,
Wie der Geist mir lustig fragt,
Worin Inneres bestehet,
Bis Auflösung diesem tagt.

O vor diesem sanften Bilde,
Wo die grünen Bäume stehn,
Wie vor einer Schenke Schilde
Kann ich kaum vorübergehn.
Denn die Ruh an stillen Tagen
Dünkt entschieden trefflich mir,
Dieses musst du gar nicht fragen,
Wenn ich soll antworten dir.

Aber zu dem schönen Bache
Such ich einen Lustweg wohl,
Der, als wie in dem Gemache,
Schleicht durchs Ufer wild und hohl,
Wo der Steg darüber gehet,
Geht’s den schönen Wald hinauf,
Wo der Wind den Steg umwehet,
Sieht das Auge fröhlich auf.

Droben auf des Hügels Gipfel
Sitz‘ ich manchen Nachmittag,
Wenn der Wind umsaust die Wipfel,
Bei des Turmes Glockenschlag,
Und Betrachtung gibt dem Herzen
Frieden, wie das Bild auch ist,
Und Beruhigung den Schmerzen,
Welche reimt Verstand und List.

Holde Landschaft! wo die Straße
Mitten durch sehr eben geht,
Wo der Mond aufsteigt, der blasse,
Wenn der Abendwind entsteht,
Wo die Natur sehr einfältig,
Wo die Berg‘ erhaben stehn,
Geh‘ ich heim zuletzt, haushältig,
Dort nach goldnem Wein zu sehn.

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Gedicht: Das fröhliche Leben von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Das fröhliche Leben“ von Friedrich Hölderlin entfaltet in ruhigen, eindrücklichen Bildern eine tiefe Verbundenheit des lyrischen Ichs mit der Natur und eine meditative Lebenshaltung. Es schildert eine idyllische Szenerie ländlichen Lebens, durchzogen von kontemplativer Freude und innerer Einkehr. Dabei verbindet Hölderlin äußere Naturwahrnehmung mit innerem Erleben, wobei das einfache Leben als Quelle echter Zufriedenheit erscheint.

Schon in der ersten Strophe wird die Natur als friedlicher Raum beschrieben, in dem das lyrische Ich unversehrt und rein bleibt. Der Wind, das weite Feld, die Wiesen – sie sprechen den Geist an und eröffnen eine stille, fast spirituelle Auseinandersetzung mit dem eigenen Inneren. Diese Naturverbundenheit geht über bloßes Betrachten hinaus: Der Wind „fragt“ den Sprecher, die Landschaft tritt in Beziehung zum Menschen.

Im weiteren Verlauf wird der Naturraum zur lebendigen Kulisse für die Suche nach Ruhe, Schönheit und Sinn. Orte wie der Bach, der Steg, der Wald oder der Hügel sind nicht nur landschaftliche Elemente, sondern zugleich Stationen der Selbstfindung. Besonders eindrücklich ist die Szene auf dem Hügel, wo der Wind durch die Bäume streicht und die Glocken des Turmes schlagen – hier entsteht eine fast sakrale Atmosphäre, in der „Betrachtung“ und „Beruhigung“ einkehren.

Im Schlussabschnitt weitet sich der Blick auf die Landschaft insgesamt. Die Abendstimmung mit dem „blassen Mond“ und dem „Abendwind“ verstärkt die sanfte Melancholie des Gedichts, während der Rückweg nach Hause – verbunden mit dem Bild des „goldnen Weins“ – auf eine genügsame, heitere Lebensweise verweist. Hölderlin feiert das Einfache, das Unverstellte, und stellt die Einheit von Mensch, Natur und Geist als Ideal des „fröhlichen Lebens“ dar – fern von Hast und künstlicher Größe.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.