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Wenn aus dem Himmel
Wenn aus dem Himmel hellere Wonne sich
Herabgießt, eine Freude den Menschen kommt,
Dass sie sich wundern über manches
Sichtbares, Höheres, Angenehmes:
Wie tönet lieblich heilger Gesang dazu!
Wie lacht das Herz in Liedern die Wahrheit an,
Dass Freudigkeit an einem Bildnis –
Über dem Stege beginnen Schafe
Den Zug, der fast in dämmernde Wälder geht.
Die Wiesen aber, welche mit lautrem Grün
Bedeckt sind, sind wie jene Heide,
Welche gewöhnlicher Weise nah ist
Dem dunkeln Walde. Da, auf den Wiesen auch
Verweilen diese Schafe. Die Gipfel, die
Umher sind, nackte Höhen sind mit
Eichen bedecket und seltnen Tannen.
Da, wo des Stromes regsame Wellen sind,
Dass einer, der vorüber des Weges kommt,
Froh hinschaut, da erhebt der Berge
Sanfte Gestalt und der Weinberg hoch sich.
Zwar gehn die Treppen unter den Reben hoch
Herunter, wo der Obstbaum blühend darüber steht
Und Duft an wilden Hecken weilet,
Wo die verborgenen Veilchen sprossen;
Gewässer aber rieseln herab, und sanft
Ist hörbar dort ein Rauschen den ganzen Tag;
Die Orte aber in der Gegend
Ruhen und schweigen den Nachmittag durch.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Wenn aus dem Himmel“ von Friedrich Hölderlin beschreibt in feierlich-ruhigem Ton eine idealisierte Naturlandschaft, in der sich göttliche Harmonie, sinnliche Schönheit und innere Einkehr zu einem kontemplativen Gesamterlebnis verbinden. Es ist ein typisches Beispiel für Hölderlins Spätstil, in dem sich ekstatische Naturerfahrung und fragmentarisch anmutende Syntax durchdringen.
Im Zentrum des Gedichts steht das Erlebnis einer himmlischen Freude, die „herabgießt“ und das Herz des Menschen in Staunen versetzt. Die Wirkung dieser Wonne zeigt sich nicht nur emotional, sondern auch in der Umwelt, die davon berührt scheint: heiliger Gesang, lachende Herzen und eine Natur, die in sanfter Bewegung erscheint. Es entsteht ein Zusammenspiel zwischen Innerem und Äußerem, zwischen geistiger Erhebung und sinnlicher Wahrnehmung.
Die beschriebenen Landschaftsbilder – Wiesen, Wälder, Gipfel, Weinberge, blühende Obstbäume – sind nicht bloß Kulisse, sondern Ausdruck einer höheren Ordnung. Die Schafe, die sich über Stege und Wiesen bewegen, symbolisieren möglicherweise Unschuld und Gemeinschaft. Alles in dieser Welt scheint durchwirkt von stiller Bedeutung und fließender Übergänge: die „regsame[n] Wellen“ des Stroms, das „sanfte Rauschen“ des Wassers, die ruhenden „Orte der Gegend“ – alles verweist auf eine Natur, die nicht wild oder chaotisch ist, sondern geordnet, friedlich und von göttlicher Gegenwart durchdrungen.
Auffällig ist Hölderlins bildreiche Sprache, die in rhythmischer, oft aufgelöster Syntax arbeitet. Dadurch entsteht ein schwebender, fast traumartiger Tonfall, der das Irdische mit dem Transzendenten verbindet. Die klare Trennung zwischen Wahrnehmung und Empfindung, Subjekt und Objekt wird aufgehoben; der Mensch ist nicht Beobachter, sondern Teil einer großen, ruhenden Einheit.
„Wenn aus dem Himmel“ ist somit Ausdruck einer pantheistischen Weltsicht, in der Natur, Gott und Mensch miteinander in Einklang stehen. Hölderlin schafft ein poetisches Bild der Erfüllung, das über das Sichtbare hinausweist – hin zu einer geistigen Dimension des Daseins, in der Frieden, Schönheit und Wahrheit eine untrennbare Einheit bilden.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.