Die Briefmarke
Ein männlicher Briefmark erlebte
was Schönes, bevor er klebte.
Er war von einer Prinzessin beleckt
Da war die Liebe in ihm erweckt.
Er wollte sie wiederküssen
Doch hat er verreisen müssen
So liebte er sie vergebens
Das ist die Tragik des Lebens.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Briefmarke“ von Joachim Ringelnatz ist eine humorvolle, aber auch melancholische Miniatur, die die Tragik des Alltags in einer ungewöhnlichen Form thematisiert. Ringelnatz verknüpft hier das banale Objekt einer Briefmarke mit den großen Themen der Liebe, Sehnsucht und unerfülltem Verlangen. Durch die Personifizierung der Briefmarke und die spielerische Verwendung von Reimen entsteht eine überraschende Tiefe.
Die Geschichte beginnt mit einem Moment des Glücks, als der männliche Briefmark von einer Prinzessin beleckt wird. Dieser Akt wird als „was Schönes“ beschrieben, was auf die erotische Konnotation und die erwachende Liebe hinweist. Die Bezeichnung „Prinzessin“ ist dabei ein typischer Ringelnatz-Gag, der die Bedeutung des Objekts überhöht und ironisiert. Die Briefmarke erfährt durch diesen Akt eine Erweckung der Liebe.
Die Tragik des Lebens zeigt sich in der Unmöglichkeit der Erwiderung der Liebe. Die Briefmarke muss verreisen, anstatt die geliebte Prinzessin zu küssen. Diese Metapher verdeutlicht das Scheitern, die Trennung und die Unerreichbarkeit des Objekts der Begierde. Der letzte Vers „Das ist die Tragik des Lebens“ hebt diese Erfahrung hervor und macht sie zu einer universellen Aussage. Die humorvolle Verpackung ermöglicht es Ringelnatz, eine ernste Botschaft über die Unvollkommenheit und die Ungerechtigkeit des Lebens zu vermitteln.
Die Stärke des Gedichts liegt in seiner Einfachheit und Prägnanz. Ringelnatz verzichtet auf komplexe Metaphern und komplizierte Formulierungen, um seine Botschaft klar und unmissverständlich zu vermitteln. Die Reime unterstützen den leichten, verspielten Ton, während der Kontrast zwischen der banalen Ausgangssituation und der existenziellen Tragik eine überraschende Wirkung erzielt. Die „Briefmarke“ wird so zum Symbol für die kleinen, unerfüllten Sehnsüchte des menschlichen Lebens.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.