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Friedensfeier

Von

Der himmlischen, still wiederklingenden,
Der ruhigwandelnden Töne voll,
Und gelüftet ist der altgebaute,
Seeliggewohnte Saal; um grüne Teppiche duftet
Die Freudenwolk‘ und weithinglänzend stehn,
Gereiftester Früchte voll und goldbekränzter Kelche,
Wohlangeordnet, eine prächtige Reihe,
Zur Seite da und dort aufsteigend über dem
Geebneten Boden die Tische.
Denn ferne kommend haben
Hieher, zur Abendstunde,
Sich liebende Gäste beschieden.

Und dämmernden Auges denk‘ ich schon,
Vom ernsten Tagwerk lächelnd,
Ihn selbst zu sehn, den Fürsten des Fests.
Doch wenn du schon dein Ausland gern verläugnest,
Und als vom langen Heldenzuge müd,
Dein Auge senkst, vergessen, leichtbeschattet,
Und Freundesgestalt annimmst, du Allbekannter, doch
Beugt fast die Knie das Hohe. Nichts vor dir,
Nur Eines weiß ich, Sterbliches bist du nicht.
Ein Weiser mag mir manches erhellen; wo aber
Ein Gott noch auch erscheint,
Da ist doch andere Klarheit.

Von heute aber nicht, nicht unverkündet ist er;
Und einer, der nicht Fluth noch Flamme gescheuet,
Erstaunet, da es stille worden, umsonst nicht, jezt,
Da Herrschaft nirgend ist zu sehn bei Geistern und Menschen.
Das ist, sie hören das Werk,
Längst vorbereitend, von Morgen nach Abend, jezt erst,
Denn unermeßlich braußt, in der Tiefe verhallend,
Des Donnerers Echo, das tausendjährige Wetter,
Zu schlafen, übertönt von Friedenslauten, hinunter.
Ihr aber, theuergewordne, o ihr Tage der Unschuld,
Ihr bringt auch heute das Fest, ihr Lieben! und es blüht
Rings abendlich der Geist in dieser Stille;
Und rathen muß ich, und wäre silbergrau
Die Loke, o ihr Freunde!
Für Kränze zu sorgen und Mahl, jezt ewigen Jünglingen ähnlich.

Und manchen möcht‘ ich laden, aber o du,
Der freundlichernst den Menschen zugethan,
Dort unter syrischer Palme,
Wo nahe lag die Stadt, am Brunnen gerne war;
Das Kornfeld rauschte rings, still athmete die Kühlung
Vom Schatten des geweiheten Gebirges,
Und die lieben Freunde, das treue Gewölk,
Umschatteten dich auch, damit der heiligkühne
Durch Wildniß mild dein Stral zu Menschen kam, o Jüngling!
Ach! aber dunkler umschattete, mitten im Wort, dich
Furchtbarentscheidend ein tödtlich Verhängniß. So ist schnell
Vergänglich alles Himmlische; aber umsonst nicht;

Denn schonend rührt des Maases allzeit kundig
Nur einen Augenblik die Wohnungen der Menschen
Ein Gott an, unversehn, und keiner weiß es, wenn?
Auch darf alsdann das Freche drüber gehn,
Und kommen muß zum heilgen Ort das Wilde
Von Enden fern, übt rauhbetastend den Wahn,
Und trift daran ein Schiksaal, aber Dank,
Nie folgt der gleich hernach dem gottgegebnen Geschenke;
Tiefprüfend ist es zu fassen.
Auch wär‘ uns, sparte der Gebende nicht
Schon längst vom Seegen des Heerds
Uns Gipfel und Boden entzündet.

Des Göttlichen aber empfiengen wir
Doch viel. Es ward die Flamm‘ uns
In die Hände gegeben, und Ufer und Meersfluth.
Viel mehr, denn menschlicher Weise
Sind jene mit uns, die fremden Kräfte, vertrauet.
Und es lehret Gestirn dich, das
Vor Augen dir ist, doch nimmer kannst du ihm gleichen.
Vom Alllebendigen aber, von dem
Viel Freuden sind und Gesänge,
Ist einer ein Sohn, ein Ruhigmächtiger ist er,
Und nun erkennen wir ihn,
Nun, da wir kennen den Vater
Und Feiertage zu halten
Der hohe, der Geist
Der Welt sich zu Menschen geneigt hat.

Denn längst war der zum Herrn der Zeit zu groß
Und weit aus reichte sein Feld, wann hats ihn aber erschöpfet?
Einmal mag aber ein Gott auch Tagewerk erwählen,
Gleich Sterblichen und theilen alles Schiksaal.
Schiksaalgesez ist diß, daß Alle sich erfahren,
Daß, wenn die Stille kehrt, auch eine Sprache sei.
Wo aber wirkt der Geist, sind wir auch mit, und streiten,
Was wohl das Beste sei. So dünkt mir jezt das Beste,
Wenn nun vollendet sein Bild und fertig ist der Meister,
Und selbst verklärt davon aus seiner Werkstatt tritt,
Der stille Gott der Zeit und nur der Liebe Gesez,
Das schönausgleichende gilt von hier an bis zum Himmel.

Viel hat von Morgen an,
Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander,
Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang.
Und das Zeitbild, das der große Geist entfaltet,
Ein Zeichen liegts vor uns, daß zwischen ihm und andern
Ein Bündniß zwischen ihm und andern Mächten ist.
Nicht er allein, die Unerzeugten, Ew’gen
Sind kennbar alle daran, gleichwie auch an den Pflanzen
Die Mutter Erde sich und Licht und Luft sich kennet.
Zulezt ist aber doch, ihr heiligen Mächte, für euch
Das Liebeszeichen, das Zeugniß
Daß ihrs noch seiet, der Festtag,

Der Allversammelnde, wo Himmlische nicht
Im Wunder offenbar, noch ungesehn im Wetter,
Wo aber bei Gesang gastfreundlich untereinander
In Chören gegenwärtig, eine heilige Zahl
Die Seeligen in jeglicher Weise
Beisammen sind, und ihr Geliebtestes auch,
An dem sie hängen, nicht fehlt; denn darum rief ich
Zum Gastmahl, das bereitet ist,
Dich, Unvergeßlicher, dich, zum Abend der Zeit,
O Jüngling, dich zum Fürsten des Festes; und eher legt
Sich schlafen unser Geschlecht nicht,
Bis ihr Verheißenen all,
All ihr Unsterblichen, uns
Von eurem Himmel zu sagen.
Da seid in unserem Hauße.

Leichtathmende Lüfte
Verkünden euch schon,
Euch kündet das rauchende Thal
Und der Boden, der vom Wetter noch dröhnet,
Doch Hoffnung röthet die Wangen,
Und vor der Thüre des Haußes
Sizt Mutter und Kind,
Und schauet den Frieden
Und wenige scheinen zu sterben
Es hält ein Ahnen die Seele,
Vom goldnen Lichte gesendet,
Hält ein Versprechen die Ältesten auf.

Wohl sind die Würze des Lebens,
Von oben bereitet und auch
Hinausgeführet, die Mühen.
Denn Alles gefällt jezt,
Einfältiges aber
Am meisten, denn die langgesuchte,
Die goldne Frucht,
Uraltem Stamm
In schütternden Stürmen entfallen,
Dann aber, als liebstes Gut, vom heiligen Schiksaal selbst,
Mit zärtlichen Waffen umschüzt,
Die Gestalt der Himmlischen ist es.

Wie die Löwin, hast du geklagt,
O Mutter, da du sie,
Natur, die Kinder verloren.
Denn es stahl sie, Allzuliebende, dir
Dein Feind, da du ihn fast
Wie die eigenen Söhne genommen,
Und Satyren die Götter gesellt hast.
So hast du manches gebaut,
Und manches begraben,
Denn es haßt dich, was
Du, vor der Zeit
Allkräftige, zum Lichte gezogen.
Nun kennest, nun lässest du diß;
Denn gerne fühllos ruht,
Bis daß es reift, furchtsamgeschäfftiges drunten.

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Gedicht: Friedensfeier von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Friedensfeier“ von Friedrich Hölderlin ist ein vielschichtiges Werk, das die Vision einer göttlichen Harmonie und eines erneuerten, friedvollen Zeitalters entfaltet. Im Zentrum steht die Darstellung eines festlichen Banketts als symbolische Feier des Friedens und der Rückkehr der göttlichen Ordnung in die Welt der Menschen. Die Szenerie wirkt einerseits konkret – wie ein tatsächliches Festmahl –, andererseits tief allegorisch und mythisch aufgeladen.

Hölderlin verbindet das Motiv der „Friedensfeier“ mit der Ankunft eines göttlichen Gastes, der als „Fürst des Fests“ angerufen wird. Diese Figur steht vermutlich für eine Christus-ähnliche Gestalt oder einen Verkörperer des Göttlichen selbst, der in menschlicher Nähe erscheint. Der Text zeigt die Spannung zwischen dem Menschen und dem Göttlichen, das sich nur selten und flüchtig offenbart. Die Natur, die „Abendstunde“ und die „liebenden Gäste“ schaffen eine sakrale Atmosphäre, in der sich das Göttliche in der Stille und Schönheit des Moments ankündigt.

Zugleich reflektiert das lyrische Ich über das Vergängliche und Erhabene. Die Natur und der Kosmos sind Zeugen einer uralten Geschichte von Entfremdung und Wiederannäherung zwischen Mensch und Gott. Die Verse über den Jüngling unter der „syrischen Palme“ erinnern an das antike Motiv eines göttlichen Opfers oder einer tragischen Heldengestalt, die sterblich wird und damit Teil der menschlichen Geschichte. Der Tod dieser Gestalt verweist auf die Zerbrechlichkeit des Himmlischen in der Welt.

Im weiteren Verlauf betont das Gedicht, dass das Göttliche sich dem Menschen nicht in plötzlicher Machtfülle, sondern sanft und „unversehn“ nähert. In der „Stille“ und der „Feier“ offenbart sich die neue Ordnung. Der „Geist der Welt“ neigt sich den Menschen zu, nicht in zerstörerischer Gewalt, sondern als „stiller Gott der Zeit“, der die Gesetze der Liebe und Harmonie verkündet. Diese Versöhnung von Himmel und Erde wird als zentrales Ziel der „Friedensfeier“ dargestellt.

Am Ende kulminiert das Gedicht in der Vorstellung eines endgültigen, universellen Festes, das Menschen und Götter vereint. Die „Allversammelnden“ Himmlischen erscheinen nicht als überwältigende Wunder, sondern als Gegenwart inmitten der Menschen – in Lied, Natur und Gemeinschaft. Hölderlin beschreibt die Sehnsucht nach einer Welt, in der das Göttliche im Alltag spürbar ist und wo der Frieden nicht nur äußere Abwesenheit von Krieg, sondern eine innere, kosmische Harmonie bedeutet. Damit ist das Gedicht eine poetische Vision einer Versöhnung zwischen Mensch, Natur und Gottheit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.