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Der Haidhauer

Von

Ein Gluttag in die Haidmark zieht;
Noch sind vom Tau die Büsche naß,
Noch liegt es silbern auf dem Ried,
Noch sind die Grillen stumm im Gras.

Da schanzt er schon im braunen Feld,
Macht Platz dem Korn im Ödeland;
Mit seinen harten Händen hält
Den Twickenstiel er fest umspannt.

Es blitzt das Eisen in der Luft,
Die Plagge reißt es knirschend fort;
Der Haideerde saurer Duft
Steigt auf von dem geschälten Ort.

Ein jeder Ruck, ein jeder Schlag,
Ein Stückchen Land, ein Stückchen Brot,
Ein Schritt mehr hin zum Licht und Tag,
Ein Schritt mehr fort aus Nacht und Not.

Die Sonne steigt, die Luft wird heiß,
Kein Lüftchen um die Birken bebt;
Des Mannes Blondhaar näßt der Schweiß,
Am Rückenstrang das Hemd ihm klebt.

Die Sonne sticht, die Lerche schweigt,
Aus blauer Luft der Bussard schreit;
Und rundumher und weit und breit
Die Grille ihren Singsang geigt.

Die Sonne brennt, die Sonne sengt,
Es kocht und loht das ganze Land;
Zum Schatten er die Schritte lenkt,
Die Twicke legt er aus der Hand.

Ein Rangen Brot, ein dünner Trank,
Des Maserkopfes blauer Rauch;
Dann macht er seinen Rücken lang
Am krüpplichen Machangelstrauch.

Der Maserkopf hat ausgeschwehlt,
Die Unterstunde ist vorbei;
Des Mannes Arm ist neu gestählt,
Von Müdigkeit sein Rücken frei.

Den Rücken krumm, die Beine breit,
So scharwerkt stramm er weiter weg;
Reißt in das braune Haidekleid
Aufs neue wieder Fleck um Fleck.

Und jeder Fleck ein Stückchen Land,
Ein Stückchen Feld, ein Stückchen Grün;
Hellgrüner Saaten lichtes Band
Sieht er aus braunem Unland blüh′n.

Buchweizen bollwerkt später hier
Und süßer Klee, so rot wie Blut;
Goldner Lupinen schwere Zier
Und grünen Leines blaue Flut,

Obstbäume trägt des Baches Rand
Und Wiesen, bunt von buntem Vieh;
Drum auf und ab mit harter Hand,
Mit krummem Rücken, krummem Knie.

Drum Plagg und Plagge fest heraus,
Mit jedem Hieb, mit jedem Riß
Verläßt die Schuldenlast das Haus,
Verblaßt der Sorge Finsternis,

Am Wege mülmt es gelb und dicht,
Der Schäfer treibt die Schnucken ein;
Der Mann im Haidfeld achtet′s nicht,
Sein Tagewerk muß länger sein.

Die Haidelerche wieder singt,
Der Regenpfeifer ruft im Moor;
Und von dem Torfstich quarrend klingt
Der Frösche breiter Abendchor.

Die Sonne sinkt, die Luft geht kühl,
Der heiße Tag ist bald vorbei,
Schon treibt die Fledermaus ihr Spiel,
Schon gellt der Eule Jammerschrei.

Daheim wohl wartet schon sein Weib;
Er legt die Twicke aus der Hand
Und knöpft um seinen nassen Leib
Den alten Rock aus Beiderwand.

Sein Blick noch einmal überfliegt
Die Rodung, die er heut geschafft,
Und was noch brach und öde liegt
Und wartet seiner Fäuste Kraft.

Dann schreitet still er durch den Sand,
Durch Haid′ und Moor, so schwarz und tot;
Der Abendschein am Himmelsrand,
Ihm leuchtet er wie Morgenrot.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Der Haidhauer von Hermann Löns

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Haidhauer“ von Hermann Löns beschreibt detailliert die mühsame Arbeit eines Heidelandschaffers, der durch unermüdlichen Fleiß aus kargem Boden fruchtbares Land gewinnt. Es ist eine Hommage an die körperliche Arbeit und die Verbundenheit des Menschen mit der Natur, wobei der Leser in den Kreislauf von Anstrengung, Ermüdung und Hoffnung eingeführt wird.

In den ersten Strophen wird die Szene eines sonnigen Morgens in der Heide geschildert. Der Haidhauer beginnt seine schwere Arbeit, während die Natur noch ruht. Die Beschreibung der Werkzeuge und der körperlichen Anstrengung – das Blitzen des Eisens, das Aufsteigen des sauren Duftes der Erde, der Schweiß – vermittelt ein Gefühl der Härte und der Anstrengung. Jede Bewegung, jeder Schlag mit der Twicke ist ein Schritt hin zu einem besseren Leben, weg von Not und Armut. Die Sonne wird zum stetigen Begleiter und Mahner, der die Zeit voranschreiten lässt und die Anstrengung des Mannes unerbittlich fordert.

Der Mittelteil des Gedichts fokussiert auf die Erschöpfung des Mannes und seine kurze Rast. Nach der Mittagsstunde und der erquickenden Pause, in der er sich mit Brot und Trank stärkt, sammelt der Haidhauer neue Kraft, um die Arbeit fortzusetzen. Die anschließenden Strophen schildern die Vision des künftigen fruchtbaren Landes, das aus dem kargen Boden entstehen soll – ein Band aus Saaten, Klee, Lupinen und Leinen, eine Vision, die den Haidhauer antreibt und ihm Kraft gibt. Diese Vision ist das Versprechen eines besseren Lebens und der Lohn seiner Anstrengung.

Das Gedicht steigert sich in der Intensität, während der Haidhauer trotz der Hitze und der Anstrengung unbeirrt weiterarbeitet. Die Natur erwacht zum Leben, während der Mann mit unermüdlicher Ausdauer sein Tagewerk verrichtet. Das Abendlicht und der Gesang der Vögel kündigen das Ende des Arbeitstages an. In den letzten Strophen wird die Heimkehr des Haidhauers beschrieben, die mit der Ernte seiner Arbeit einhergeht. Der Blick über die geschaffte Rodung, die Gewissheit, dass er etwas geschaffen hat, und die erwartungsvolle Hoffnung auf die Zukunft prägen das Ende des Gedichts.

Die Stärke des Gedichts liegt in der detaillierten Beschreibung der körperlichen Arbeit, der Natur und den Emotionen des Haidhauers. Löns verwendet einfache, klare Sprache und eine regelmäßige Reimstruktur, die das Gedicht leicht lesbar und einprägsam macht. Der Haidhauer wird zum Symbol für Fleiß, Ausdauer und die tiefe Verbundenheit des Menschen mit der Natur. Es ist ein Lobgesang auf die unermüdliche Arbeit und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die durch eigene Anstrengung erreicht werden kann. Das Gedicht vermittelt die Botschaft, dass das Glück oft im Fleiß und in der Arbeit selbst liegt.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.