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An die Parzen

Von

Nur
Einen Sommer
gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht
Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;
Doch ist mir einst das Heilge, das am
Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,

Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!
Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel
Mich nicht hinab geleitet;
Einmal
Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.

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Gedicht: An die Parzen von Friedrich Hölderlin

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „An die Parzen“ von Friedrich Hölderlin thematisiert den Wunsch des lyrischen Ichs nach einer letzten schöpferischen Lebensphase, bevor es den Tod akzeptieren kann. Die Parzen, die in der griechischen Mythologie als Schicksalsgöttinnen das Leben eines Menschen bestimmen, werden um „einen Sommer“ und „einen Herbst“ gebeten – eine Metapher für eine kurze, aber erfüllte Zeit des dichterischen Schaffens. Erst wenn das Herz durch dieses „süße Spiel“ der Poesie gesättigt ist, kann der Tod als etwas Natürliches angenommen werden.

Die zweite Strophe betont die Bedeutung der Kunst für das Leben des lyrischen Ichs. Eine Seele, die zu Lebzeiten nicht ihr göttliches Recht – in diesem Fall wohl die Fähigkeit zur poetischen Selbstverwirklichung – erhalten hat, findet auch im Tod keine Ruhe. Damit wird die Dichtung als etwas Heiliges dargestellt, das die höchste Form der Erfüllung darstellt. Das Gelingen eines Gedichts wird hier zum Maßstab für ein gelungenes Leben.

In der letzten Strophe zeigt sich eine versöhnliche Haltung gegenüber dem Tod. Sollte es dem lyrischen Ich gelingen, das „Heilige“ – die vollendete Dichtung – zu erschaffen, kann es die Stille des Totenreichs ohne Reue annehmen. Selbst wenn sein „Saitenspiel“, also seine Kunst, ihn nicht in die Ewigkeit begleitet, genügt ihm die Erinnerung an einen göttergleichen Moment des Daseins. Damit wird die Vorstellung eines gelungenen Lebens nicht an Dauer, sondern an die Intensität und Erfüllung des künstlerischen Schaffens gebunden.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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