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Lebendes Bild

Von

Zwei Skribenten mit zu großer Neese
Sitzen vor der Wand aus gelbem Taft;
Und sie sorgen sich um die Synthese
Der Kultur und um die Jungfernschaft.

Denn der Teufel schreitet durch die Mitte
Und ist gänzlich ohne innern Halt.
Feurig federn seine langen Schritte,
Schwarz und wechselnd ist er von Gestalt.

Und er wedelt mit dem schlangenhaften Schweife;
Denn er hat mit einer Maus gehurt,
Und im Vordergrund raucht schon die Pfeife
Seine neugeborne Mißgeburt.

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Gedicht: Lebendes Bild von Jakob van Hoddis

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Lebendes Bild“ von Jakob van Hoddis zeichnet ein düster-ironisches und groteskes Szenario, das mit Elementen der Satire und der expressionistischen Verfremdung arbeitet. Die beiden „Skribenten“, also Schriftsteller oder Intellektuelle, sitzen in einer fast bühnenhaften Szene „vor der Wand aus gelbem Taft“ und diskutieren über große Themen wie „die Synthese / Der Kultur und um die Jungfernschaft“. Diese Themen wirken im Kontrast zur absurden und bedrohlichen Szenerie beinahe kleinlich oder hilflos.

Zentral tritt der Teufel in das Bild: Er durchquert die Szene „ohne innern Halt“, unstet und „wechselnd von Gestalt“. Seine „feurigen“ und „schlangenhaften“ Attribute machen ihn zu einer unberechenbaren, zerstörerischen Figur, die die Szenerie dominiert und das Gespräch der Intellektuellen grotesk konterkariert. Während diese sich um abstrakte oder kulturelle Fragen sorgen, erscheint das Chaos und das Unheimliche in Form des Teufels mitten unter ihnen.

Das letzte Bild steigert die Groteske ins Obszöne und Surreale: Der Teufel hat „mit einer Maus gehurt“, und die „neugeborne Mißgeburt“ der beiden – eine absurde Chimäre – sitzt im Vordergrund und raucht Pfeife. Hier zeigt sich ein bitterer Humor und eine scharfe Kritik an der Unvereinbarkeit von hohem Anspruch und der Absurdität der Wirklichkeit.

„Lebendes Bild“ entwirft eine verzerrte Allegorie auf eine Welt, in der intellektuelle Bemühungen von einer grotesken, chaotischen Realität unterlaufen werden. Hoddis mischt Elemente der Karikatur, der Ironie und der expressionistischen Verfremdung, um die Absurdität menschlicher Selbstüberschätzung und die gleichzeitige Ohnmacht gegenüber den dunklen Kräften des Lebens zu verdeutlichen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.