Wahrheit gegen den Feind? Vergib mir! Ich lege zuweilen
Seine Bind um den Hals, um in sein Lager zu gehn.
Notwehr
Mehr zu diesem Gedicht
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Notwehr“ von Heinrich von Kleist ist eine kurze, aber vielschichtige Reflexion über die Natur der Wahrheit, den Feind und die moralische Ambivalenz, die in Zeiten von Konflikten entsteht. Es beginnt mit einer rhetorischen Frage, die die konventionelle Vorstellung von einem Kampf für die Wahrheit in Frage stellt. Der Sprecher scheint sich von dieser idealistischen Vorstellung zu distanzieren und wählt einen pragmatischeren, wenn auch moralisch fragwürdigen Ansatz.
Die eigentliche Aussage des Gedichts entfaltet sich im zweiten Vers. Hier beschreibt der Sprecher eine Handlung, die im Widerspruch zur ursprünglichen Frage steht: „Ich lege zuweilen / Seine Bind um den Hals, um in sein Lager zu gehn.“ Die „Bind“, also die Fessel, die der Feind trägt, wird vom Sprecher selbst angelegt. Dies deutet auf Täuschung und Verrat hin, auf die Bereitschaft, die eigene Identität zu verbergen und die Seite des Gegners anzunehmen, um möglicherweise Informationen zu erlangen oder die eigenen Interessen zu schützen.
Das Gedicht wirft wichtige Fragen nach der Natur von Krieg und Konflikt auf. Ist es legitim, die eigene Moral zu beugen, um einen Vorteil zu erlangen? Wo liegen die Grenzen der „Notwehr“, wenn der Feind nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Lügen und Täuschung bekämpft wird? Die Kürze des Gedichts verstärkt seine Wirkung, indem sie dem Leser Raum für eigene Interpretationen und Überlegungen lässt. Es ist ein Appell an die Realität des Krieges, in der die Ideale oft der Notwendigkeit weichen.
Kleists „Notwehr“ ist ein Beispiel für seine meisterhafte Fähigkeit, komplexe philosophische Fragen in knappen und prägnanten Versen zu formulieren. Es ist ein Kommentar über die Verwicklung in kriegerische Auseinandersetzungen und die Notwendigkeit, die eigene Moral zu überdenken. Durch die Betonung von Täuschung und Verrat in der Auseinandersetzung mit dem Feind wirft das Gedicht Fragen auf, die bis heute relevant sind.
Weitere Informationen
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.
