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Pfingstgewitter

Von

Löwe, Adler ihre stürzenden Grausamkeiten sind mehr als
Lammverspeisen und Verzehren von Ziegen. Sie haben Sein.
Sein der Höhe.
Ihr fragenden Grausamkeiten halte ich in mir, ein geduldiger Löwe.
Ich stöhne den Rager, den Weltvergießer
Ich brülle den Reißenden.
Bin Gewitter wie das, das da oben kommt

(Fernes Donnern. Leiser Blitz)

Ich behalte meine Blitze:
Zerrissener Himmel
Gewaltiges Wort.
Und ist da oben wer Schriftgelehrter:
Mag sein Gewand zerreißen.
Bardenwart der!
Ja, ja du Bardenwart der Lüfte, und wenn du noch so brummst.
Ragender,
Weltvergießer,
Frierst du nicht, so oben?
Wirst du nicht wahnsinnig,
Da so gar nichts dein ist.
Wer alles hat, hat wieder nichts.
Sollen wir?
Dir Gesellschaft leisten?
Mit dir spielen?
Bist du nicht Kind?
So mußt du es werden.
Und besonders wir Dichter.
Wir?
Was weiß ich von anderen,
Bin ich nicht auch wie du?
So eigen allein!
Ob auch nicht ganz
So mächtig.

Ich will dich unterhalten:

Weiße Flammen taumeln,
Tanzen der jauchzenden Feuerreigen
Glühender Welt.
Leuchtende Gewitter blühen,
Klaräugige Stürme, Wolkenjäger
Wischen den sprühenden Schweiß
Von hämmernder Stirn.
Und wilder Segen ist,
Himmeltaumelnde Trunkenheit,
Zausen starker Neckerei.
Dankbar blüht da Lächeln aus tauig taumelndem Grunde.
Safttollende Kelche strotzend frischer Feuer bluten.
Weiß geschürzte Reigen,
Drängend leuchtende Gewitter
Drücken ihrer schwellenden Früchte
Berauschend erquickenden Saft
Auf diese weiß geschürzten selig auf-
schmachtenden Reigen,
Warme Wolken gleiten glückleuchtend spazieren.
Umtaumelnd Mutwill, fromm die Erde, fürchtende Freude.
Wie sie ausbricht, die jubelstrotzende
Leidenschaft zusammenziehender Höhen.
Nachtigallenstürme aus wonnewankenden Wäldern.
Weichstark dringen klingender Seele –
Jubelnd stirbt sich’s am Lied.

Adler schreien und schlagen nieder
mit jauchzendem Gefieder
Das dunkelgolden streitende Gewühl des Gewölks.
Silberscharf
Zackt das Wort der Höhenleidenschaft
Hin zu Tal,
Und der Erde reife Zeilen
Sind gesättigt, und ist ein Spiel.
Frommer Mutwill
Auf zu lachend starkem Vater.
Und Schläge
Tollender Zärtlichkeit
Schallen…
Rasendes Rauschen
Seliger Kräfte.
Wonne entwurzelt das Herz der Welt.
In traufender, strahlenschüttender Wollust vergeht die Sonne.
Zitternd am Tage entschlafend.
Blutende Wunden suchen sich
Zu süßmundenden Küssen,
Wohlige, rosige, ziehende Wunden. –
Weltenblüte
Verrucht vor Güte,
Flammende Wildnis
Ungezügelter Kräfte.
Blitzrankende Augen,
Leuchtende Dornen,
Scharfe Wildheit, bang, zerstörend,
Grausam scheu.
In Baum und Tier und mir
Lauschende Adern,
Wasserantlitz, wollust-klar,
Zitternder Zweige schauerndes Haar
Und aus Tollnis springende,
Wilde
Gebilde.
Spiel der Himmel,
Blumen und Blitz.
Leichtes Licht
Wie kriegende Kinder –
Springt und flimmert
Von Wolke zu Wolke.
Treu aufsteigende Flammenbäume
Unzerstreuet,
Ein Gebet –
Steht der Wald
Aufgerichtet.
Und des Himmels Liebe:
Morgenröte des Hasses
Auf geschliffener Schneide:
Sich anlachender Schwertblitz,
Fern aufgerichtet steht
Waffen auf den Wald gestützt
Mir des Blitzes Sohn
In Antlitz.
Und ist alles
Unzufrieden Blut,
Gattung der Welten.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Pfingstgewitter von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Pfingstgewitter“ von Peter Hille ist eine bildgewaltige, fast ekstatische Natur- und Selbstbetrachtung, die Naturphänomene und innere Zustände miteinander verschmilzt. Im Zentrum steht das Pfingstgewitter als eine Entladung wilder, urgewaltiger Kräfte, die mit metaphysischen Fragen und einem tief empfundenen Naturrausch verbunden werden. Der Sprecher identifiziert sich mit den Naturmächten – mit „Löwe“ und „Adler“ – und erkennt in sich selbst dieselben „fragenden Grausamkeiten“ und die explosive Energie eines nahenden Gewitters.

Die Natur wird als ein Spiel aus „Blitzen“, „Stürmen“, „Feuerreigen“ und „Gewittern“ beschrieben, das sowohl Zerstörung als auch schöpferische Kraft beinhaltet. Das lyrische Ich tritt dabei mit dem Himmel und den Elementen in einen Dialog und spiegelt seine eigene innere Zerrissenheit und Leidenschaft in den Naturkräften wider. Der Sturm wird zu einer Art ekstatischem Ritual: „Wonne entwurzelt das Herz der Welt“ – ein Bild für das ekstatische Einssein mit dem Kosmos und das Verschmelzen mit den ungezähmten Kräften der Natur.

In der Sprache verdichtet sich ein Wechselspiel aus ekstatischer Sinnlichkeit und aggressiver Wildheit. Die Bilder schwanken zwischen „süßmundenden Küssen“ und „blutenden Wunden“, zwischen „frommem Mutwill“ und „tollender Zärtlichkeit“. Diese Ambivalenz spiegelt die Doppelgesichtigkeit der Natur wider: schöpferisch und zerstörerisch, sanft und brutal zugleich. Auch das Motiv der Künstlerschaft taucht immer wieder auf – der Dichter selbst wird zum Teil des wilden Spiels und der „leidenschaftlichen Höhen“.

Hilles „Pfingstgewitter“ lässt sich somit als poetische Feier des Elementaren lesen, als hymnische Darstellung eines Naturereignisses, das über das bloße Wettergeschehen hinaus zur Allegorie für schöpferische Ekstase, innere Zerrissenheit und das Ringen mit den großen Kräften von Leben und Tod wird. Das Gedicht verbindet in expressionistischer Bildsprache das Individuum mit einer kosmischen Dimension voller Leidenschaft und Ursprünglichkeit.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.