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Arnold Böcklin

Von

Zum 75. Geburtstag des toten Meisters, am 16. Oktober

Er ging dahin wo seine Werke wohnen. –
Mit angetürmtem Nacken ihm zur Seiten trabt der Eroberer.
Aus tiefem Sande grinsen fremde Zeichen:
Gebeine sind es, die so leuchtend bleichen.
Vor rohen Hufen knirscht die heiße Wüste;
Grün steigt ein Hügel auf und ruht
In Blumenkühle aus vom heißen Gleißen.
In träger Schräge ruht ein alter Faun
Und glotzt in Weiten, die wie bald verloren ihm,
Mit schwerem Auge, fremdbekümmert.
Ein Fäunlein, goldnes Stroh im roten Nacken,
Reckt tief zum Quell die drallen Bäcklein nieder.

Genug gesehn! Ich will mir selber lauschen;
Da kommt ein Wald, der soll mir rauschen!
Wie klopft des Mittags Angst! –
Gescheckt, erschreckt
Die starren, steilen Stämme.
Hoch und tückisch,
Das seltsam bösgedrehte Horn voraus:
Das Einhorn…
Sinnig-wild
Aufblickt des Märchens üppig-fremdes Auge. –

Da von der Rechten schwellend atmet’s Raum,
Hebt grüne Wipfel hoch noch über die blauen
Und bietet Erde, bietet Himmel, Sträuße, Schaum
Und schlägt lustkreisend einen Purzelbaum:
Und blickt wie Angst, wie Trauer der Unendlichkeit,
Wie Irrsinn, wie wehlachend Spotten:
Das wilde Element! –
Und Abend wird’s; das Meer ging ferne schlafen.
Ein braunes Glöckelhäuslein.
Da steht, geneigt
Das weiße, stille Haupt, der braune Mönch und
Geigt und streut wie Blumen nieder
Zu Füßen der Maria späte Glut. –
Auf Zehen, seine Wangen voll und fromm,
Ein Büblein lugt; leis zittert seiner Schwinge
blaugrüner Reif…

Er ging dahin, wo seine Werke wohnen;
Sie leuchten heißer auf in ihrer Seele Saft,
Die Urgeburten dieses großen Lebens!
Ein frohes Tosen wiehert der Stromsturz
Nieder; die Wälder öffnen atmend
Befreite Brust.

Die großen stummen Seelen bitten
Der ungeheuren Dinge und der wilden Welt:
„Du bist nun da; so löse uns die Lippen;
Du weißt uns alle träumen unser Brausen!
Des Lebens Wein in heitrer Andacht trinkst
Du prüfend und bei hohem Lächeln neigt
Sich leicht dein Manneshaupt, da dir Freund Hein
Auf seiner Fiedel so Wundersames geigt.“ –

Dein Gruß: im Feiern neigt er sich dem Tode;
Des Wageblutes Scharlachstürme lodern;
In bleicher Stille ein zypressendichter Schlaf –

Er ging dahin, wo seine Werke wohnen.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Arnold Böcklin von Peter Hille

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Arnold Böcklin“ von Peter Hille ist eine poetische Hommage an den berühmten Maler der Symbolik anlässlich seines 75. Geburtstags, den er bereits im Tod erlebt. Hille würdigt Böcklin, indem er dessen Bildwelten literarisch lebendig werden lässt und in einer Art Traumlandschaft typische Motive des Malers evoziert. Der Titel verweist auf den Künstler, doch im Gedicht verschmelzen Biografie und Werk zu einer Einheit: Böcklin „ging dahin, wo seine Werke wohnen“ – er ist selbst Teil der mystischen, fantastischen Welten geworden, die er geschaffen hat.

Die bildreiche Sprache erinnert stark an Böcklins eigene Kunst. Motive wie der Faun, das Einhorn, geheimnisvolle Natur, urtümliche Wesen und eine schattenhafte Landschaft voller Bedrohung und Schönheit sind Anspielungen auf die mythischen und rätselhaften Szenarien, die Böcklins Malerei prägen. Die „blutrote Glut“, das „braune Glöckelhäuslein“ und die „Maria“ mit dem „Büblein“ wirken wie visuelle Kompositionen, die an Böcklins Werke wie „Die Toteninsel“ oder seine Arkadienbilder erinnern. Die Natur in Hilles Gedicht ist nicht bloß Kulisse, sondern durchdrungen von Symbolik und Atmosphäre.

Gleichzeitig thematisiert das Gedicht das Verhältnis zwischen Künstler und Werk. Böcklin wird als ein „Löser der Lippen“ für die „ungeheuren Dinge und die wilde Welt“ beschrieben – als jemand, der der Natur, dem Mythos und den unbewussten Urkräften eine Stimme gegeben hat. Der Fluss, die Wälder, das Meer und das „wilde Element“ erscheinen beseelt und voller geheimnisvoller Botschaften, die nur der Künstler zu deuten weiß. Das Gedicht selbst wirkt wie eine poetische Übersetzung der Böcklin’schen Malerei in Sprache.

Die mehrfach wiederholte Zeile „Er ging dahin, wo seine Werke wohnen“ dient als melancholisches und feierliches Leitmotiv. Sie unterstreicht die Vorstellung, dass der Künstler im Tod zu seinem eigenen Schaffen zurückkehrt, ja mit ihm eins wird. Hilles Text ist eine lyrische Verneigung vor Böcklins Werk und zugleich eine Meditation über Kunst, Tod und das Unvergängliche in der Schöpfung eines Meisters.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.