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Auf Lucinden

Von

Sie hat viel Welt, die muntere Lucinde.
Durch nichts wird sie mehr rot gemacht.
Zweideutigkeit und Schmutz und Schand′ und Sünde,
Sprecht was ihr wollt: sie winkt euch zu, und lacht.
Erröte wenigstens, Lucinde,
Daß nichts dich mehr erröten macht!

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Gedicht: Auf Lucinden von Gotthold Ephraim Lessing

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Auf Lucinden“ von Gotthold Ephraim Lessing ist eine bissige Satire, die sich mit der vermeintlichen moralischen Verdorbenheit der titelgebenden Lucinde auseinandersetzt. Der kurze Text besteht aus einer einzigen Strophe, die jedoch eine Fülle von Kritik und Ironie enthält. Lessing prangert Lucindes Verhalten an, indem er sie als Person darstellt, die immun gegen jegliche Form von Scham oder moralischer Empfindsamkeit zu sein scheint.

Die erste Zeile „Sie hat viel Welt, die muntere Lucinde“ deutet auf eine gewisse Welterfahrenheit und möglicherweise auch auf eine freizügige Lebensweise hin. Der Ausdruck „viel Welt“ könnte sich sowohl auf ihre soziale Erfahrung als auch auf ihre Unbekümmertkeit beziehen. Die folgenden Zeilen verstärken diesen Eindruck, indem sie Lucinde als unbeeindruckt von „Zweideutigkeit und Schmutz und Schand′ und Sünde“ beschreiben. Diese Aufzählung von negativen Begriffen soll ihre vermeintliche moralische Verderbtheit verdeutlichen. Die Tatsache, dass sie auf all diese Dinge mit einem Winken und einem Lächeln reagiert, unterstreicht ihre Gleichgültigkeit und ihr fehlendes Schamgefühl.

Die Pointe des Gedichts liegt in den beiden abschließenden Versen. Lessing fordert Lucinde auf, sich zumindest zu erröten – und das für die Tatsache, dass sie sich durch nichts mehr erröten lässt. Dieser Appell ist von doppelter Ironie geprägt: Einerseits soll Lucinde dadurch zu einer gewissen Selbstreflexion angeregt werden, andererseits verdeutlicht er die Absurdität ihres Zustands. Indem Lessing sie auffordert, sich für ihre Unfähigkeit, sich zu schämen, zu schämen, wendet er die Kritik direkt auf Lucindes Verhalten an und macht es so noch deutlicher.

Die Stärke des Gedichts liegt in seiner prägnanten Form und seiner eleganten Verwendung von Ironie. Lessing nutzt eine einfache Sprache und einen klaren Rhythmus, um seine Botschaft effektiv zu vermitteln. Der Kontrast zwischen der scheinbaren Leichtigkeit der Verse und der Schärfe der Kritik macht das Gedicht besonders wirkungsvoll. Es ist ein Beispiel für Lessings Fähigkeit, gesellschaftliche Konventionen und moralische Doppelmoral mit Witz und Scharfsinn zu sezieren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.