Die Ratten
Im Hof scheint weiß der herbstliche Mond.
Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.
Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;
Da tauchen leise herauf die Ratten.
Und huschen pfeifend hier und dort
Und ein gräulicher Dunsthauch wittert
Ihnen nach aus dem Abort,
Den geisterhaft der Mondschein durchzittert.
Und sie keifen vor Gier wie toll
Und erfüllen Haus und Scheunen,
Die von Korn und Früchten voll.
Eisige Winde im Dunkel greinen.
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Ratten“ von Georg Trakl zeichnet ein beklemmendes Bild einer verfallenden Welt, in der die Natur, verkörpert durch die Ratten, die Oberhand gewinnt. Es beginnt mit einer melancholischen Beschreibung einer herbstlichen Mondnacht, die durch die „phantastischen Schatten“ eine surreale Atmosphäre erzeugt. Die „leeren Fenster“, in denen „Schweigen wohnt“, deuten auf Verlassenheit und Tod hin, eine Szene, die bereits auf das Kommende vorbereitet.
Die eigentliche Handlung des Gedichts entfaltet sich mit dem Auftauchen der Ratten, die wie aus dem Nichts erscheinen. Ihre Bewegungen sind „huschend“ und „pfeifend“, was eine beunruhigende Lebendigkeit suggeriert. Der „gräuliche Dunsthauch“ aus dem „Abort“, der vom Mondschein „durchzittert“ wird, verstärkt das Gefühl von Verwesung und Fäulnis. Die Ratten werden so zu Boten des Verfalls, die in einer Welt voller Leere und Angst ihr Unwesen treiben.
Die Ratten werden durch ihre „Gier“ und das „Keifen“ als animalische Wesen dargestellt, die von ihren Trieben getrieben werden. Ihre Anwesenheit erfüllt „Haus und Scheunen“, die mit „Korn und Früchten voll“ sind, was eine bittere Ironie darstellt: Der Überfluss an Nahrung steht im Kontrast zur drohenden Zerstörung. Die „eisigen Winde im Dunkel“ greinen, was die allgemeine Atmosphäre von Kälte und Verzweiflung noch verstärkt.
Trakls Gedicht ist eine düstere Metapher für den Zerfall von Ordnung und die Macht der Zerstörung. Die Ratten, als Symbol für das Böse und die Instinkte, erobern eine Welt, die von Leere und Tod geprägt ist. Das Gedicht ist ein Ausdruck von Trakls tiefem Pessimismus und seiner Vision einer Welt, die dem Untergang geweiht ist, wobei die Schönheit des Mondes und die Fülle der Natur in der beklemmenden Szene des Verfalls eine bittere Ironie erfahren.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.