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Leicht Gepäck

Von

Ich bin ein freier Mann und singe mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe, ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste, von der man Länder übersieht,
Ich wohn ein Vogel nur im Neste, mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Ich durfte nur, wie andre, wollen, und wär nicht leer davongeeilt,
Wenn jährlich man im Staat die Rollen den treuen Knechten ausgeteilt;
Allein ich hab nie zugegriffen, so oft man mich herbei beschied,
Ich habe fort und fort gepfiffen, mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Der Lord zapft Gold aus seiner Tonne und ich aus meiner höchstens Wein;
Mein einzig Gold die Morgensonne, mein Silber all der Mondenschein!
Färbt sich mein Leben herbstlich gelber, kein Erbe, der zum Tod mir riet;
Denn meine Münzen prägt ich selber; mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Gern sing ich abends zu dem Reigen, vor Thronen spiel ich niemals auf;
Ich lernte Berge wohl ersteigen, Paläste komm ich nicht hinauf;
Indes aus Moder, Sturz und Wettern sein golden Los sich mancher zieht,
Spiel ich mit leichten Rosenblättern; mein ganzer Reichtum ist mein Lied.

Nach dir, nach dir steht mein Verlangen, o schönes Kind, o wärst du mein!
Doch du willst Bänder, du willst Spangen, und ich soll dienen gehen? Nein!
Ich will die Freiheit nicht verkaufen, und wie ich die Paläste mied,
Lass ich getrost die Liebe laufen; mein ganzer Reichtum sei mein Lied.

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Leicht Gepäck von Georg Herwegh

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Leicht Gepäck“ von Georg Herwegh ist ein poetisches Bekenntnis zur Freiheit, Unabhängigkeit und zur Selbstgenügsamkeit. Das lyrische Ich stellt sich bewusst gegen die Zwänge von Besitz, Macht und gesellschaftlichem Aufstieg und feiert stattdessen die Einfachheit und das Leben als freier Künstler. Bereits im ersten Vers wird der Gegensatz zu den Herrschenden betont: Während andere sich in „Fürstengruft“ oder „stolzer Feste“ verlieren, lebt das lyrische Ich wie ein Vogel „im Neste“ – bescheiden und frei, mit dem Lied als einzigem Reichtum.

Das Gedicht nimmt eine deutliche Haltung gegen den Opportunismus und die Karrierefixierung der Gesellschaft ein. Das lyrische Ich verweigert sich den „Rollen“ und „Rufen“ der Macht, verzichtet auf Titel und Positionen und pflegt stattdessen seine Unabhängigkeit. Dabei wird das Lied – also die Dichtung selbst – zum Symbol der Freiheit und zum Ausdruck innerer Souveränität. Die wiederkehrende Wendung „mein ganzer Reichtum ist mein Lied“ unterstreicht die Haltung, dass immaterielle Werte wie Kunst und Freiheit höher stehen als materieller Besitz.

Herweghs Gedicht enthält auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Macht und Reichtum. Der „Lord“, der „Gold aus seiner Tonne“ zapft, wird dem lyrischen Ich gegenübergestellt, das sich an Naturphänomenen wie „Morgensonne“ und „Mondenschein“ erfreut. Dieses Naturmotiv verstärkt die romantische Vorstellung vom Dichter als jemandem, der mit der Natur im Einklang lebt und sich nicht von gesellschaftlichen Zwängen vereinnahmen lässt.

Auch im privaten Bereich bleibt das lyrische Ich konsequent: Die Liebe zu einer Frau, die „Bänder“ und „Spangen“ – also Reichtum und Statussymbole – erwartet, wird nicht über die eigene Freiheit gestellt. Der Verzicht auf diese Liebe wird ebenso selbstbewusst wie gelassen akzeptiert. „Leicht Gepäck“ ist damit eine Hymne auf die Unabhängigkeit des Geistes, die mit Verzicht einhergeht, aber zugleich innere Erfüllung bietet.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.