Müde bin ich
Müde bin ich, geh‘ zur Ruh‘,
Schließe beide Äuglein zu;
Vater, laß die Augen dein
Über meinem Bette sein!
Hab‘ ich Unrecht heut‘ gethan,
Sieh‘ es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad‘ und Jesu Blut
Macht ja allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt,
Gott, laß ruhn in deiner Hand!
Alle Menschen, groß und klein,
Sollen dir befohlen sein.
Kranken Herzen sende Ruh‘,
Nasse Augen schließe zu;
Laß den Mond am Himmel stehn
Und die stille Welt besehn!
Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Müde bin ich“ von Luise Hensel ist ein nächtliches Gebet, in dem die Erzählerin ihre Erschöpfung und den Wunsch nach Frieden zum Ausdruck bringt. Zu Beginn wird das Bild des müden Körpers und Geistes gezeigt: „Müde bin ich, geh‘ zur Ruh‘“, was eine natürliche Wendung des Lebens symbolisiert, wenn der Tag sich dem Ende zuneigt. Das Schließen der Augen und die Bitte um den Schutz Gottes über dem Schlaf verweisen auf ein Vertrauen in göttliche Geborgenheit und Sicherheit, die in der Dunkelheit der Nacht gesucht wird.
In der zweiten Strophe wird die Bitte um Vergebung thematisiert. Die Erzählerin erkennt ihre eigenen Fehler und bittet Gott, diese nicht zu beachten. Durch die „Gnade“ und das „Blut Jesu“ wird die Hoffnung auf Erlösung und Vergebung zum Ausdruck gebracht, da die göttliche Gnade alle menschlichen Unvollkommenheiten heilen kann. Diese Strophe verdeutlicht die Demut und die Bereitschaft, sich von göttlicher Gnade leiten zu lassen, um die eigene Schuld zu überwinden.
Die dritte Strophe erweitert das Gebet und schließt nicht nur die eigene Familie ein, sondern auch alle Menschen. Die Bitte um Gottes Schutz und Frieden richtet sich an alle, die der Erzählerin nahe stehen, aber auch an die gesamte Menschheit. Die Zeile „Alle Menschen, groß und klein, sollen dir befohlen sein“ drückt das universelle Gebet für das Wohlergehen und die göttliche Führung aller Menschen aus, unabhängig von Status oder Alter.
In der letzten Strophe wendet sich das Gebet den Kranken und Leidenden zu. Die Bitte, „kranken Herzen Ruhe“ zu senden und „nasse Augen zu schließen“, spricht für ein Mitgefühl mit dem Schmerz anderer und den Wunsch nach Trost. Das Bild des Mondes, der „am Himmel stehn“ bleibt, und der stillen Welt, die dabei „besehen“ wird, vermittelt ein Gefühl von Ruhe und Frieden in der Natur, das auch denjenigen zuteilwird, die in Leid und Trauer sind. Das Gedicht endet mit der Hoffnung auf göttliche Fürsorge, die nicht nur den Einzelnen, sondern die gesamte Schöpfung umfasst, und vermittelt so eine tiefe Verbundenheit zwischen dem persönlichen Gebet und einem universellen Frieden.
Insgesamt ist das Gedicht ein zartes und besinnliches Nachtgebet, das sowohl um Schutz und Frieden für den eigenen Körper als auch für die ganze Welt bittet, getragen von einem tiefen Vertrauen in Gottes Gnade und Fürsorge.
Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.
Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.