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Sie sassen und tranken…

Von

Sie saßen und tranken am Teetisch
Und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

„Die Liebe muss sein platonisch“,
Der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzet sie: „Ach!“

Der Domherr öffnet den Mund weit:
„Die Liebe sei nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.“
Das Fräulein lispelt: „Wieso?“

Die Gräfin spricht wehmütig:
„Die Liebe ist eine Passion!“
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tische war noch ein Plätzchen,
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch, mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.

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Gedicht: Sie sassen und tranken… von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Sie saßen und tranken…“ von Heinrich Heine ist eine ironisch-humorvolle Darstellung bürgerlicher und adliger Salongespräche über die Liebe. In einer Szene am Teetisch treffen verschiedene Figuren aufeinander, die sich mit der Liebe auf distanzierte und oftmals verkopfte Weise auseinandersetzen. Die Herren und Damen geben vor, über Liebe zu philosophieren, bleiben dabei jedoch in Konventionen und Oberflächlichkeiten verhaftet. Heine zeichnet ein satirisches Bild einer Gesellschaft, die zwar über große Gefühle spricht, diese aber zugleich rationalisiert und verharmlost.

Durch gezielte Wortwahl und subtile Ironie entlarvt Heine die Diskrepanz zwischen dem Reden über die Liebe und dem tatsächlichen Empfinden. Der Hofrat, der platonische Liebe fordert, und die Hofrätin, die ironisch lächelt und dennoch seufzt, zeigen die Spannungen zwischen gesellschaftlicher Fassade und innerer Sehnsucht. Auch der Domherr, der vor den gesundheitlichen Gefahren der Liebe warnt, und das naive Fräulein, das diese Warnung nicht versteht, tragen zur Karikatur dieser Runde bei. Die Figuren wirken in ihrer Uneinigkeit und Weltfremdheit fast wie Typen aus einem Lustspiel.

Im letzten Vers wendet sich das lyrische Ich direkt an sein „Liebchen“ und bricht so aus der distanzierten Szene aus. In diesem persönlichen Ton liegt eine leise Kritik an der Künstlichkeit der vorherigen Gesprächsrunde. Das lyrische Ich wünscht sich die Gegenwart der Geliebten, die vermutlich authentisch von der Liebe hätte sprechen können – im Gegensatz zu den selbstgefälligen Salongästen. Heine kontrastiert hier spielerisch echte, gefühlvolle Liebe mit der leeren Rhetorik einer Gesellschaft, die in Konventionen erstarrt ist.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.