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Nicht gedacht soll seiner werden

Von

„Nicht gedacht soll seiner werden!“
Aus dem Mund der armen alten
Esther Wolf hört ich die Worte,
Die ich treu im Sinn behalten.

Ausgelöscht sein aus der Menschen
Angedenken hier auf Erden,
Ist die Blume der Verwünschung –
Nicht gedacht soll seiner werden!

Herz, mein Herz, ström aus die Fluten
Deiner Klagen und Beschwerden,
Doch von ihm sei nie die Rede –
Nicht gedacht soll seiner werden!

Nicht gedacht soll seiner werden,
Nicht im Liede, nicht im Buche –
Dunkler Hund im dunkeln Grabe,
Du verfaulst mit meinem Fluche!

Selbst am Auferstehungstage,
Wenn geweckt von den Fanfaren
Der Posaunen, schlotternd wallen
Zum Gericht die Totenscharen,

Und alldort der Engel abliest
Vor den göttlichen Behörden
Alle Namen der Geladnen –
Nicht gedacht soll seiner werden!

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Gedicht: Nicht gedacht soll seiner werden von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Nicht gedacht soll seiner werden“ von Heinrich Heine ist von tiefer Bitterkeit und Verfluchung geprägt. Im Zentrum steht der Wunsch, eine bestimmte Person aus der Erinnerung und der Geschichte zu tilgen. Die Worte stammen von einer alten Frau, Esther Wolf, deren Fluch das lyrische Ich übernommen hat. Der Wunsch nach Vergessen wird als „Blume der Verwünschung“ bezeichnet – eine ungewöhnliche, fast poetische Metapher für die Vernichtung der Erinnerung an jemanden.

Heine entwickelt in den weiteren Strophen das Bild einer radikalen Auslöschung: Weder im Klagen, noch im Lied, noch im Buch soll der Name des Verfluchten genannt werden. Die drastische Verfluchung gipfelt im Bild des „dunklen Hundes im dunklen Grabe“, der mit dem Fluch der Sprecherin „verfault“. Der Ausdruck von Hass und Verletzung ist so stark, dass selbst das Andenken an die Person vollständig ausgelöscht werden soll – eine Form der maximalen Strafe, die über den Tod hinausreicht.

Besonders eindrucksvoll ist die apokalyptische Vision am Ende des Gedichts: Selbst am „Auferstehungstage“, wenn alle Toten zum Jüngsten Gericht erscheinen, soll dieser eine Name nicht verlesen werden. Das Vergessen wird hier in eine religiös-metaphysische Dimension gehoben und sprengt die weltliche Ebene. Heine zeichnet damit ein Bild absoluter Verdammung, das weit über den Tod hinausgeht und bis ins Jenseits reicht.

„Nicht gedacht soll seiner werden“ ist ein düsteres Gedicht über unversöhnlichen Hass und den Wunsch nach vollständiger Auslöschung eines Menschen aus aller Erinnerung. Heine verleiht der Sprache des Fluches eine hohe poetische Kraft und führt die Thematik der Erinnerung und des Vergessens ins Extrem, wobei Schmerz, Wut und tiefe Verbitterung das Gedicht durchziehen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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