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Mimi

Von

„Bin kein sittsam Bürgerkätzchen,
Nicht im frommen Stübchen spinn ich.
Auf dem Dach in freier Luft,
Eine freie Katze bin ich.

Wenn ich sommernächtlich schwärme,
Auf dem Dache, in der Kühle
Schnurrt und knurrt in mir Musik,
Und ich singe, was ich fühle.“

Also spricht sie. Aus dem Busen
Wilde Brautgesänge quellen,
Und der Wohllaut lockt herbei
Alle Katerjunggesellen.

Alle Katerjunggesellen,
Schnurrend, knurrend, alle kommen,
Mit Mimi zu musizieren,
Liebelechzend, lustentglommen…

Brauchen keine Instrumente,
Sie sind selber Bratsch und Flöte;
Eine Pauke ist ihr Bauch,
Ihre Nasen sind Trompeten.

Sie erheben ihre Stimmen
Zum Konzert gemeinsam jetzo;
Das sind Fugen, wie von Bach
Oder Guido von Arezzo.

Das sind tolle Symphonien,
Wie Capricen von Beethoven
Oder Berlioz, der wird
Schnurrend, knurrend übertroffen.

Wunderbare Macht der Töne!
Zaubertöne sondergleichen!
Sie erschüttern selbst den Himmel,
Und die Sterne dort erbleichen…

Nur das Lästermaul, die alte
Primadonna Philomele,
Rümpft die Nase, schnupft und schmäht
Mimis Singen – kalte Seele!

Doch gleichviel! das musizieret,
Trotz dem Neide der Signora,
Bis am Horizont erscheint
Rosig lächelnd Fee Aurora.

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Gedicht: Mimi von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mimi“ von Heinrich Heine spielt auf humorvolle Weise mit der Welt der Katzen und setzt sie in Bezug zur Kunst und Musik. Mimi, die titelgebende Katze, wird als freigeistige, unabhängige Figur dargestellt, die sich nicht den Konventionen unterwirft. Sie verbringt ihre Nächte nicht brav im Haus, sondern auf den Dächern, wo sie sich ihrer Leidenschaft – dem Gesang – hingibt. Diese Freiheit wird als eine Art künstlerische Unabhängigkeit inszeniert, wodurch Mimi zur Verkörperung eines ungebundenen, schöpferischen Geistes wird.

In der zweiten Hälfte des Gedichts wird das nächtliche Katzenkonzert zu einer großen musikalischen Darbietung gesteigert. Heine zieht Vergleiche zu bekannten Komponisten wie Bach, Beethoven und Berlioz und stellt die lauten, chaotischen Laute der Katzen als eine eigenwillige, aber leidenschaftliche Musikform dar. Hier zeigt sich Heines spielerischer Umgang mit Sprache und seine ironische Behandlung künstlerischer Ideale: Was für die Katzen ein ekstatisches Konzert ist, könnte für menschliche Ohren eher ein dissonantes Spektakel sein.

Am Ende wird die Kritik an dieser wilden Musik in Form der Nachtigall („Primadonna Philomele“) eingeführt, die sich abfällig über Mimis Gesang äußert. Doch das lyrische Ich nimmt diese Kritik nicht ernst – der kreative Ausdruck der Katzen bleibt unbeeindruckt vom Urteil der traditionellen Sängerin. Mit dem Erscheinen der Morgenröte endet das wilde Treiben, und der neue Tag bringt eine Art natürliche Auflösung der nächtlichen Ekstase. „Mimi“ ist somit eine augenzwinkernde Ode an unkonventionelle Kunst, Leidenschaft und Freiheit – mit Heines typisch ironischem Unterton.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.