Epilog
Unser Grab erwärmt der Ruhm.
Torenworte! Narrentum!
Eine beßre Wärme gibt
Eine Kuhmagd, die verliebt
Uns mit dicken Lippen küßt
Und beträchtlich riecht nach Mist.
Gleichfalls eine beßre Wärme
Wärmt dem Menschen die Gedärme,
Wenn er Glühwein trinkt und Punsch
Oder Grog nach Herzenswunsch
In den niedrigsten Spelunken,
Unter Dieben und Halunken,
Die dem Galgen sind entlaufen,
Aber leben, atmen, schnaufen,
Und beneidenswerter sind
Als der Thetis großes Kind –
Der Pelide sprach mit Recht:
„Leben wie der ärmste Knecht
In der Oberwelt ist besser,
Als am stygischen Gewässer
Schattenführer sein, ein Heros,
Den besungen selbst Homeros.“
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Epilog“ von Heinrich Heine ist eine satirische Reflexion über Ruhm und die vermeintlichen Werte des Lebens. Heine beginnt mit der Aussage, dass das „Grab“ des Menschen durch den Ruhm erwärmt wird, nur um diese Vorstellung sofort zu hinterfragen. „Torenworte! Narrentum!“ gibt er als Kommentar zu den gängigen Idealen von Ehre und Ruhm. Diese Worte wirken wie eine verspottende Entlarvung der Gesellschaft, die den Ruhm über das tatsächliche Leben stellt.
Heine stellt dann eine überraschende, fast absurde Alternative vor: Die wahre Wärme komme nicht von Ruhm, sondern von der Umarmung einer „Kuhmagd“, die „dicke Lippen“ hat und nach Mist riecht. Durch diese Bildsprache verdeutlicht er, dass wahre menschliche Nähe und Wärme nicht in den hohen Idealen und der Verehrung durch andere zu finden sind, sondern in den einfachen, erdverbundenen Momenten des Lebens. Auch der Trunk, wie Glühwein oder Grog in einer Spelunke, wird als „beßre Wärme“ dargestellt, da er das Leben in seiner rohen, unmittelbaren Form genießt.
Der Sprecher geht weiter und vergleicht das Leben der einfachen Menschen, die in den „niedrigsten Spelunken“ unter „Dieben und Halunken“ leben, mit dem eines berühmten Helden, der in der mythologischen Welt als „Schattenführer“ verehrt wird. Heine zitiert den antiken Helden Achilles, um die Doppelmoral der Gesellschaft zu entlarven: Der Ruhm des Helden erscheint vergänglich und letztlich weniger erstrebenswert im Vergleich zu einem einfachen, aber erfüllten Leben. Heines Haltung ist daher eine kritische Auseinandersetzung mit den Werten seiner Zeit, die er als oberflächlich und entbehrlich betrachtet.
Das Gedicht ist eine scharfsinnige, humorvolle Auseinandersetzung mit der Idee des Ruhmes und der nach außen getragenen Größe. Heine entlarvt die oberflächlichen Werte und stellt die scheinbare Bedeutung von Ruhm in Frage, indem er auf das einfache Leben und die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse verweist. Durch diese satirische Darstellung wird eine tiefere Wahrheit über das Leben und den Tod, über Existenz und Vergänglichkeit vermittelt, die weit mehr mit der gelebten Erfahrung und weniger mit mythologischen, idealisierten Vorstellungen zu tun hat.
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Lizenz und Verwendung
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