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Die Tendenz

Von

Deutscher Sänger! Sing und preise
Deutsche Freiheit, daß dein Lied
Unsrer Seelen sich bemeistre
Und zu Taten uns begeistre,
In Marseillerhymnenweise.

Girre nicht mehr wie ein Werther,
Welcher nur für Lotten glüht –
Was die Glocke hat geschlagen,
Sollst du deinem Volke sagen,
Rede Dolche, rede Schwerter!

Sei nicht mehr die weiche Flöte,
Das idyllische Gemüt –
Sei des Vaterlands Posaune,
Sei Kanone, sei Kartaune,
Blase, schmettre, donnre, töte!

Blase, schmettre, donnre täglich,
Bis der letzte Dränger flieht –
Singe nur in dieser Richtung,
Aber halte deine Dichtung
Nur so allgemein als möglich.

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Gedicht: Die Tendenz von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Tendenz“ von Heinrich Heine ist eine kritische Reflexion über die Rolle des Dichters und die politische Wirkmacht von Lyrik. Heine fordert den „deutschen Sänger“ dazu auf, sich von der gefühlsseligen, unpolitischen Dichtung zu verabschieden und stattdessen eine kämpferische Haltung einzunehmen. Besonders auffällig ist der Kontrast zwischen der „Glocke“ der Freiheit, die der Dichter verkünden soll, und der vorher kritisierten romantischen Schwärmerei, die Heine mit Werther und der Verehrung für „Lotte“ gleichsetzt.

Das Gedicht enthält zahlreiche martialische Metaphern: Der Sänger soll zur „Posaune“, „Kanone“ und „Kartaune“ werden – Symbole für Kampf, Aufrüttelung und den Aufruf zur Revolution. Diese Sprache deutet auf den Wunsch nach einer politisch aktiven Kunst hin, die die „deutsche Freiheit“ preist und das Volk zum Handeln animiert. Heine spielt hier deutlich auf revolutionäre Ideale an und fordert den Bruch mit der rein ästhetischen, weltabgewandten Kunstauffassung.

Im letzten Verspaar wird das Spannungsfeld zwischen politischer Wirkung und künstlerischer Freiheit sichtbar. Heine mahnt, die Dichtung solle trotz der kämpferischen Botschaft „allgemein“ bleiben. Hier klingt die Problematik der Zensur an, die politische Dichtung im Vormärz häufig bedrohte. Die Dichter sollen also agitieren, jedoch mit Bedacht und in metaphorisch verklausulierter Form, um nicht direkt angreifbar zu sein.

Mit „Die Tendenz“ formuliert Heine eine klare Stellungnahme zur politischen Verantwortung der Kunst. Er kritisiert die passive Haltung vieler Dichter und fordert eine Literatur, die gesellschaftliche Missstände benennt und den Freiheitskampf unterstützt – jedoch ohne ihre poetische Kraft durch zu platte Parolen zu verlieren.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.