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Die Lorelei

Von

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten,
Dass ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl, und es dunkelt,
Und ruhig fliesst der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldenes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar.

Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame,
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schat nur hinauf in die Höh.

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.

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Gedicht: Die Lorelei von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Lorelei“ von Heinrich Heine handelt von der sagenhaften Figur der Lorelei, einer geheimnisvollen Jungfrau, die durch ihr Singen Schiffer ins Verderben lockt. Bereits in der ersten Strophe wird die Stimmung von Traurigkeit und Unerklärlichkeit eingeführt – das lyrische Ich fühlt sich melancholisch und von einer alten Sage verfolgt. Diese unbestimmte Wehmut verbindet sich mit der mystischen Atmosphäre der Rheinlandschaft bei Einbruch der Dämmerung.

Heine verbindet Naturbeschreibung und Legende sehr wirkungsvoll: Der ruhige Fluss, das Funkeln des Berggipfels im Abendlicht und die kühle Luft schaffen ein stimmungsvolles Bild. Die Lorelei erscheint dabei fast übernatürlich, als „wunderbare“ Gestalt, deren Schönheit und geheimnisvolles Handeln im Mittelpunkt stehen. Das goldene Haar, das sie mit einem goldenen Kamm kämmt, sowie der Schmuck unterstreichen ihre märchenhafte und verführerische Ausstrahlung.

Das zentrale Motiv ist der Gesang der Lorelei, der eine „wundersame, gewaltige Melodei“ bildet. Ihre Stimme entfaltet eine magische Wirkung, der sich der Schiffer nicht entziehen kann. Verzaubert verliert er die Kontrolle, achtet nicht auf die Gefahren der Felsenriffe und steuert unweigerlich ins Unglück. Die Lorelei steht hier symbolisch für eine unerreichbare, tödliche Verlockung, die die Vernunft außer Kraft setzt und das Schicksal besiegelt.

Heine nutzt einfache, klare Sprache und eine balladenhafte Struktur, um die düstere Romantik und das Motiv der unheilvollen Verführung zu betonen. Das Gedicht vereint Naturmystik, Todesahnung und das Motiv der femme fatale, wobei die Figur der Lorelei als Inbegriff einer gefährlichen Schönheit erscheint, die zwischen Märchen und dunkler Realität schwebt.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

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