Die Lehre
Mutter zum Bienelein:
„Hüt dich vor Kerzenschein!“
Doch was die Mutter spricht,
Bienelein achtet nicht;
Schwirret ums Licht herum,
Schwirret mit Sum-sum-sum,
Hört nicht die Mutter schrein:
„Bienelein! Bienelein!“
Junges Blut, tolles Blut,
Treibt in die Flammenglut,
Treibt in die Flamm hinein, –
„Bienelein! Bienelein!“
’s flackert nun lichterrot,
Flamme gab Flammentod; –
Hüt dich vor Mägdelein,
Söhnelein! Söhnelein!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die Lehre“ von Heinrich Heine greift in einer kurzen, fabelhaften Form das Motiv der Warnung vor gefährlichen Verlockungen auf. Ausgangspunkt ist das Bild eines Bieneleins, das von der Mutter vor dem Kerzenlicht gewarnt wird. Trotz der Warnung folgt das Bienchen seinem Instinkt und wird vom Licht unwiderstehlich angezogen, bis es schließlich in der Flamme umkommt.
Diese Tierfabel dient als Gleichnis für das Verhalten junger Männer, die sich von der Anziehungskraft der Liebe – hier in der Gestalt eines „Mägdeleins“ – nicht abhalten lassen. Das „junge Blut“ symbolisiert die Unbedarftheit und das ungestüme Begehren, das letztlich ins Unglück führen kann. Die Parallelität von Tier- und Menschenwelt wird durch den Wechsel von „Bienelein“ zu „Söhnelein“ im letzten Vers deutlich, wodurch die Moral der Geschichte klar ausgesprochen wird.
Die Sprache ist einfach und volksliedhaft, mit Reimen und dem lautmalerischen „Sum-sum-sum“, das die Leichtigkeit und Verspieltheit des Bieneleins betont, bevor der ernste Ton im zweiten Teil das tragische Ende markiert. Der abrupte Wechsel vom heiteren Bild zur tödlichen Konsequenz unterstreicht die Dramatik und zugleich die lehrhafte Funktion des Gedichts.
Heine verbindet hier auf kunstvolle Weise die Elemente einer warnenden Tierfabel mit einer menschlichen Lebensweisheit. Die Kerze steht sinnbildlich für gefährliche Verlockungen, die trotz aller Warnungen eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausüben – ein Motiv, das sich sowohl auf die Liebe als auch auf das Verhängnis der Leidenschaft übertragen lässt.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.