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Die Flucht

Von

Die Meeresfluten blitzen,
Bestrahlt vom Mondenschein.
Im schwanken Kahne sitzen
Zwei Buhlen, die schiffen allein.

„Du wirst ja blass und blasser,
Du Herzallerliebste mein!“ –
„Geliebter! dort ruderts im Wasser,
Mein Vater holt uns ein.“ –

„Wir wollen zu schwimmen versuchen,
Du Herzallerliebste mein!“ –
„Geliebter! ich hör ihn schon fluchen,
Ich höre ihn toben und schrei’n.“ –

„Halt nur den Kopf in die Höhe,
Du Herzallerliebste mein!“ –
„Geliebter! das Wasser, o wehe,
Dringt mir in die Ohren hinein.“ –

„Es werden steif mir die Füße,
O Herzallerliebste mein!“ –
„Geliebter! der Tod muss süße
In deinen Armen sein.“

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Gedicht: Die Flucht von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Flucht“ von Heinrich Heine beschreibt eine dramatische Flucht im nächtlichen Meer, in der ein Liebespaar versucht, der Verfolgung zu entkommen. Die Szene ist von einer bedrohlichen und zugleich leidenschaftlichen Stimmung geprägt. Zu Beginn wird die Szenerie mit der Mondscheinbeleuchtung und den „Meeresfluten“ eingeführt, was eine romantische, aber auch gefährliche Atmosphäre schafft. Das Bild des schaukelnden Kahnens inmitten dieser Naturgewalt verstärkt das Gefühl von Unsicherheit und Gefahr.

Der Dialog zwischen den beiden Liebenden zeigt eine zunehmende Dramatik. Die Frau wird immer blasser, was auf ihre Angst und die drängende Gefahr hinweist. Ihr Hinweis, dass ihr Vater sie verfolgt, lässt auf ein tragisches Szenario schließen, in dem der Wille zur Flucht aus familiären oder gesellschaftlichen Zwängen resultiert. Der wiederholte Austausch der Liebenden, in dem der Mann Vorschläge macht und die Frau vor der wachsenden Gefahr warnt, verstärkt den Eindruck einer verzweifelten Flucht, in der beide in den Armen des anderen Trost suchen.

Die zunehmende körperliche Erschöpfung des Mannes, der „steif“ wird, und die Frau, die das eindringende Wasser hört und spürt, stellen das fortschreitende Unheil dar. Die körperlichen Symptome des Überlebenskampfes sind unmittelbar und erzeugen ein Gefühl der Dringlichkeit. Die letzte Zeile, in der die Frau den Tod als „süß“ in den Armen des Geliebten bezeichnet, deutet auf eine romantisierte Vorstellung des Todes hin, der als Erlösung und Vollendung der Liebe betrachtet wird.

Insgesamt ist das Gedicht ein dramatisches Bild von Liebe, Gefahr und letztlich der Erlösung durch den Tod. Heine nutzt die flimmernde Grenze zwischen Leben und Tod, um die Intensität der Gefühle der Liebenden zu betonen und thematisiert dabei auch die Flucht vor gesellschaftlichen Normen und familiären Erwartungen. Die romantische, aber gefährliche Szenerie dient als Metapher für die unbedingte Hingabe und den Willen, das Leben in der Liebe zu opfern.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.