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Der Asra

Von

Täglich ging die wunderschöne
Sultanstochter auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
„Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimat, deine Sippschaft!“

Und der Sklave sprach: „Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.“

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Gedicht: Der Asra von Heinrich Heine

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Der Asra“ von Heinrich Heine erzählt von der unerfüllten Liebe eines jungen Sklaven zu einer Sultanstochter. In einer knappen, balladenhaften Form wird eine Szene geschildert, in der der Sklave täglich still und zunehmend leidend der Fürstin begegnet, bis diese ihn schließlich anspricht. Die zentrale Spannung liegt in der unausgesprochenen, aber spürbaren Liebe des Sklaven zu der unerreichbaren Herrscherin.

Das Motiv des Springbrunnens und der plätschernden weißen Wasser schafft eine ruhige, fast märchenhafte Atmosphäre, die im Kontrast zu der inneren Qual des Sklaven steht. Während die Sultanstochter unbeschwert erscheint, leidet der junge Mann sichtbar unter seiner heimlichen Liebe, was sich in der Steigerung „bleich und bleicher“ ausdrückt. Diese äußerliche Veränderung spiegelt die seelische Zerrissenheit und das stille Vergehen des Liebenden wider.

Mit der Auflösung im letzten Vers gewinnt das Gedicht an Tiefe und Symbolkraft: Der Sklave offenbart, dass er zu den „Asra“ gehört, einem Stamm, der dafür bekannt ist, aus Liebe zu sterben. Diese Aussage verleiht der Figur des Sklaven eine tragische Würde und poetische Erhöhung. Liebe erscheint hier als existenzielles Gefühl, das Leben und Tod bestimmt.

Heine verwendet einfache, klare Bilder und eine sanfte Rhythmik, um die Dramatik der Szene leise anklingen zu lassen. Die Fremdheit und Mystik des Orients verstärken das exotische Kolorit, während die Themen unerfüllte Liebe, Schicksal und Tod universelle menschliche Empfindungen ansprechen. So entfaltet das kurze Gedicht eine melancholische und zugleich ergreifende Wirkung.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.