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Juno Ludovisi

Von

Du lässest uns die Blüte alles Schönen
Und seines Werdens holdes Wunder sehen;
Die Stirn′ ist streng, man sieht′s in ihr entstehen,
Wo es noch ringen muß mit herben Tönen.

Die Wange will sich schon mit Anmut krönen,
Doch darf sie noch im Lächeln nicht zergehen,
Der Mund jedoch zerschmilzt in süßen Wehen,
Daß Ernst und Milde sich im Reiz versöhnen.

Erst keusches Leben, wurzelhaft gebunden,
Dann scheuer Vortraum von sich selbst, der leise
Hinüberführt zur wirklichen Entfaltung;

Und nun ist auch der Werdekampf verwunden,
Man sieht nicht Anfang mehr, noch Schluß im Kreise,
Und dieses ist der Gipfel der Gestaltung.

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Gedicht: Juno Ludovisi von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Juno Ludovisi“ von Friedrich Hebbel ist eine kunstvolle Beschreibung einer Skulptur, der Juno Ludovisi, und eine Reflexion über die Entwicklung von Schönheit und Vollkommenheit. Das Gedicht ist in zwei vierzeilige Quartette und ein abschließendes Sextett unterteilt, was dem Ganzen eine klare Struktur und einen lyrischen Fluss verleiht. Es beschreibt den Prozess der Schönheit, beginnend mit einer strengen, aber vielversprechenden Grundlage, und endet mit der vollkommenen Entfaltung, die weder Anfang noch Ende kennt.

Die ersten beiden Quartette widmen sich der detaillierten Beschreibung der Skulptur. Die „Stirn“ wird als „streng“ beschrieben, was auf einen inneren Kampf hindeutet, der die Entstehung von Schönheit begleitet. Die „Wange“ hingegen bereitet sich darauf vor, sich mit „Anmut“ zu krönen, was einen Übergang von Strenge zu Anmut andeutet. Der „Mund“ schließlich „zerschmilzt in süßen Wehen“, was die Vereinigung von „Ernst und Milde“ im Reiz der Juno Ludovisi verdeutlicht. Diese Beschreibung zeigt den schrittweisen Prozess der Verwandlung von einer rohen Form zu einer vollendeten Schönheit, wobei jede Phase ihre eigene charakteristische Qualität besitzt.

Das Sextett, der abschließende Teil des Gedichts, verdichtet diese Entwicklung und zieht eine allgemeingültige Erkenntnis. Es beginnt mit „keuschem Leben, wurzelhaft gebunden“, was auf die fundamentale Grundlage der Schönheit verweist. Dann folgt der „scheue Vortraum von sich selbst“, eine Phase der Selbstwahrnehmung und Vorbereitung. Der Vers „Und nun ist auch der Werdekampf verwunden“ suggeriert, dass die Anstrengungen und der innere Konflikt überwunden wurden. Der Höhepunkt wird durch die Zeile „Man sieht nicht Anfang mehr, noch Schluß im Kreise“ erreicht, was die Unendlichkeit und Vollkommenheit des Kunstwerks, und vielleicht auch des Ideals der Schönheit, zum Ausdruck bringt.

Hebbel nutzt in diesem Gedicht eine präzise und bildhafte Sprache, um die Transformation von der strengen Unvollkommenheit zur vollendeten Schönheit zu beschreiben. Die Metaphern und Bilder, wie „Blüte alles Schönen“ und „süßen Wehen“, veranschaulichen den lyrischen Charakter und die tiefgründige Thematik des Gedichts. Das Gedicht ist somit nicht nur eine Beschreibung der Juno Ludovisi, sondern auch eine Reflexion über das Wesen der Schönheit, ihre Entwicklung und ihre letztendliche Vollendung in einem Zustand zeitloser Harmonie. Es ist ein Loblied auf die Kunst und ihre Fähigkeit, das Ideal des Schönen zu erfassen.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.