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Die Kirmes

Von

Das ist ein Geigen und Flöten
Bis über das Dorf hinaus:
Sie feiern die Kirmes heute
Mit Tanz und Spiel und Schmaus.

Wenn ich ein Mädchen wäre,
So schaut′ ich die Burschen an,
Doch jetzt betracht′ ich die Mädchen,
Ein Mann sucht keinen Mann!

Die Blonde hat mir gefallen,
Solang′ ich die Braune nicht sah,
Jetzt ist mir, als hätt′ ich gesündigt,
Ei, war sie denn schon da?

Es darf sie nur einer küssen,
Doch jeder tanzt mit ihr,
Und auch den plattsten Gesellen
Vergoldet ihr Auge mir.

Und schlägt sie′s erglühend nieder,
Weil sie des Sponsen sich schämt,
Erhebt er dafür das seine,
Man sieht, daß ihn′s nicht grämt.

Und dies gefällt mir eben,
Er fühlt die Ehre doch,
Und denkt er daran im Alter,
So steift sich sein Rücken noch.

Im Alter, ach, im Alter!
Ja, ja, wir werden alt!
Er, ich, du selbst, wir alle,
Wir werden alt und kalt!

Die Kinder stecken des Abends
Zuweilen Papier in Brand
Und legen′s auf den Ofen
Und kauern sich um den Rand.

Sie freun sich der hüpfenden Funken
Mit Grau und Schwarz vermischt,
Und wetten, wer von allen
Am letzten wohl verlischt.

Wir hüpfen, wie diese Funken,
Über der Erde Rund
Und leuchten vielleicht am hellsten
In dieser frohen Stund′.

Wer weiß, wer von uns allen
Zuletzt erlöschen mag?
Der weiß auch, wer am längsten
Erzählt von diesem Tag!

Du schönstes Kind, ich ahne,
Das wirst du selber sein,
Ich sehe dich, wie doppelt,
Maifrisch, und alt, wie Stein.

Jetzt drehst du dich im Reigen,
So reizend und geschwind,
Wie dort das Rosenblättchen
Im Sommerabendwind.

Jetzt hockst du blind im Lehnstuhl,
Die Enkel um dich her,
Du sprichst von diesem Tage,
Sie glauben, von einer Mär′.

Du streichelst mit knöchernem Finger
Die Enkelin, die dir gleicht,
Du sagst: ich war dir ähnlich,
So jung, so schön, so leicht!

Sie aber kann′s nicht glauben,
Und das verdenk′ ich ihr nicht,
Sie müßte sich sagen: ich selber
Bekomm′ einst ein solches Gesicht!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Die Kirmes von Friedrich Hebbel

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Die Kirmes“ von Friedrich Hebbel ist eine Reflexion über Vergänglichkeit, Schönheit und die Erfahrung von Zeit, eingebettet in die Beobachtung eines Kirmes-Treibens. Der Dichter, der selbst nicht mehr aktiv am Geschehen teilnimmt, betrachtet das Fest aus einer distanzierten, erwachsenen Perspektive, die geprägt ist von Melancholie und einer tiefen Ahnung von Alterung und Tod. Das Gedicht wechselt dabei geschickt zwischen der Beobachtung des gegenwärtigen Geschehens und der Projektion in die Zukunft, wobei die zentrale Figur eines jungen Mädchens dient, das als Symbol für Jugend, Schönheit und das unbeschwerte Leben steht.

Die ersten Strophen beschreiben das lebhafte Treiben der Kirmes, mit Musik, Tanz und dem fröhlichen Treiben der Menschen. Der Dichter, ein Mann, der die „Mädchen“ und „Burschen“ aus einer beobachtenden Position betrachtet, scheint ein Gefühl des Verlusts zu verspüren, da er nicht mehr Teil dieses jugendlichen Lebens ist. Das Spiel der Gegensätze zwischen der flüchtigen Freude des Festes und der unausweichlichen Tatsache des Älterwerdens wird hier angedeutet, wobei die flüchtige Schönheit der jungen Frauen als Gegensatz zur eigenen Alterung empfunden wird. Die Beschreibung des wechselnden Interesses an Frauen, die „blonde“ und „braune“ Frau, unterstreicht die Instabilität und Flüchtigkeit menschlicher Gefühle, insbesondere im Kontext der Jugend und der Liebe.

Im weiteren Verlauf des Gedichts verschiebt sich der Fokus auf das junge Mädchen, dessen Schönheit und Jugendlichkeit im Mittelpunkt stehen. Der Dichter sieht in ihr das zukünftige Spiegelbild der eigenen Alterung und des Verfalls. Die Beschreibung des Mädchens, das im Alter am Ende ihres Lebens von der Kirmes erzählt, zeigt die Verwandlung von jugendlicher Vitalität in das Alter, die mit der Betrachtung der Enkel verknüpft ist. Der Verweis auf die flüchtigen Funken des Feuers, die auf dem Herd platziert werden, symbolisiert das kurze, aber helle Leben der Menschen, die wie die Funken über die Erde „hüpfen“ und am Ende erlöschen.

Der Kern der Interpretation liegt in der Gegenüberstellung von Jugend und Alter, Schönheit und Vergänglichkeit. Das Gedicht zeigt die menschliche Erfahrung des Älterwerdens und die Akzeptanz, aber auch die Melancholie, die mit dem Wissen um das Vergehen der Zeit einhergeht. Die Kirmes wird zum Spiegelbild des Lebens, in dem Freude und Vergänglichkeit untrennbar miteinander verbunden sind. Der Dichter nimmt eine Position der distanzierten Beobachtung ein, die von einer tiefen Einsicht in die Natur des Lebens und der Unvermeidlichkeit des Todes geprägt ist. Das Gedicht endet mit einer doppelten Erkenntnis: Einerseits die Vergänglichkeit der Jugend, Schönheit und Freude, andererseits die ewige Erinnerung an dieses flüchtige Leben, das im Gedächtnis weiterlebt, wenn auch in veränderter Form.

Weitere Informationen

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Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.