Die beiden Zecher
Beim Weine sah ich einst zwei Zecher sitzen;
Der eine rief: kein Tropfen wird vergossen,
Bevor sich das Geheimnis mir erschlossen,
Woher es kommt, dies Perlen und dies Blitzen!
Der andre sprach: er wird mein Blut erhitzen,
Und daraus ist mir nie noch Heil entsprossen,
Wie wär′ mir′s, wenn ich nach dem Rausch verdrossen
Mich fände auf den schroffsten Felsenspitzen!
So saßen sie und grübelten aufs beste,
Indes umsonst die Goldpokale lachten,
Zu ihres gütigen Bewirters Qualen;
Inzwischen kam ein Haufen frischer Gäste,
Da sahn sie sich vertrieben, eh′ sie′s dachten,
Und müssen nun mit ew′gem Durst bezahlen!
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Kurze Interpretation des Gedichts
Das Gedicht „Die beiden Zecher“ von Friedrich Hebbel thematisiert auf satirische Weise die Lächerlichkeit übermäßigen Grübelns und Zögerns, insbesondere in Bezug auf Genuss und Lebensfreude. Der erste Zecher, vertieft in philosophische Fragen, weigert sich zu trinken, bevor er das Geheimnis des Weines ergründet hat, während der zweite die möglichen negativen Folgen des Rausches bedenkt. Beide Charaktere sind so sehr mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie den gegenwärtigen Moment verpassen, was letztendlich dazu führt, dass sie den Genuss des Weines verwehren.
Die beiden Zecher repräsentieren unterschiedliche Formen des Zögerns und der Selbstbeschränkung. Der erste ist ein Grübler, der nach dem Ursprung des Weines sucht, während der zweite die möglichen unangenehmen Folgen des Trinkens befürchtet. Beide sind durch ihre intellektuelle Beschäftigung gefangen und unfähig, die einfache Freude des Weinverkostens zu genießen. Hebbel verwendet hier ironische Kontraste, um die Absurdität ihres Verhaltens zu verdeutlichen, indem er die ungenutzte Gelegenheit des Weingenusses hervorhebt.
Die Struktur des Gedichts verstärkt die Ironie. In den ersten beiden Strophen werden die kontemplativen Ansichten der Zecher vorgestellt. Die dritte Strophe offenbart die Konsequenz ihres Zögerns: Während sie sich in ihren Gedanken verlieren, kommen neue Gäste, die den Wein genießen. Am Ende des Gedichts stehen die beiden Zecher ohne Wein da, gezwungen, ihren „ew’gen Durst“ zu stillen. Der Kontrast zwischen ihrem Nachdenken und dem Verlust des Vergnügens unterstreicht die Botschaft, dass übermäßiges Grübeln und Zögern zu verpassten Gelegenheiten und Bedauern führen kann.
Hebbel nutzt die Sprache, um die Ironie und den Humor der Situation zu verstärken. Die eleganten Formulierungen und die Verwendung von Reimen stehen im Kontrast zu der eigentümlichen Situation der Zecher. Das Bild der „Goldpokale, die lachen“ ist ein Beispiel für diese Ironie, das die Freude des Weines und das Vergnügen, das die Zecher verpassen, visuell darstellt. Das Gedicht ist somit eine Satire auf die übermäßige Intellektualisierung und die Unfähigkeit, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
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Lizenz und Verwendung
Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.