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Tritt aus dem Tor

Von

Tritt aus dem Tor, Erscheinung, namenlose!
Kommt, ihr geheimnisvollen frühen Triebe!
Kehr wieder, Sonntag! Schlafe mit mir, Rose
Am weißen Kleide meiner ersten Liebe!
Und wenn ich von euch ritt auf einem Pferde
Schwarz in die Dunkelheit des Meers – was war ich!
Ein Strahl des Lichts, ein Stück von meiner Erde,
Ein Abenteuer, bunt, verbrannt und fahrig.
Mein altes Haus, wer deine Ruhe fände!
O sag mir nicht, dass auf den fremden Inseln
Jetzt Affen schrein und Papageien winseln –
Ich könnte wieder reisen ohne Ende!

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Gedicht: Tritt aus dem Tor von Walter Hasenclever

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Tritt aus dem Tor“ von Walter Hasenclever thematisiert Sehnsucht, Erinnerung und die Rastlosigkeit des lyrischen Ichs. Gleich zu Beginn wird eine „Erscheinung, namenlose“ angesprochen, was auf eine unbestimmte, fast mystische Kraft hindeutet, die das lyrische Ich aus der Vergangenheit oder der Fantasie heraus anspricht. Mit der Aufforderung an die „frühen Triebe“ und die Rückkehr des „Sonntags“ wird eine nostalgische Stimmung geschaffen – der Sonntag als Symbol für Kindheit, Unschuld oder die Zeit der ersten Liebe.

Das Motiv der „Rose am weißen Kleide meiner ersten Liebe“ verstärkt die Rückwendung zu einer idealisierten Vergangenheit. Diese Erinnerungen wirken wie eine Flucht aus der Gegenwart in eine Zeit voller erster Erfahrungen und reiner Gefühle. Die zweite Strophe bringt jedoch eine Wendung: Die Flucht ins Abenteuer – das „Schwarz in die Dunkelheit des Meers“ reiten – verweist auf eine Suche nach etwas Unbekanntem, nach Freiheit oder vielleicht nach Selbstfindung. Gleichzeitig wird das lyrische Ich als „bunt, verbrannt und fahrig“ beschrieben, was auf eine innere Unruhe und Zerrissenheit hindeutet.

Im letzten Teil erscheint das „alte Haus“ als Symbol für eine ersehnte Ruhe, die aber offenbar schwer erreichbar bleibt. Die Erwähnung der „fremden Inseln“ mit „Affen“ und „Papageien“ kontrastiert exotische Ferne mit der Sehnsucht nach Heimat und innerem Frieden. Das lyrische Ich bleibt gefangen zwischen Fernweh und dem Wunsch nach Ankommen. Die letzte Zeile – „Ich könnte wieder reisen ohne Ende!“ – unterstreicht diese Ruhelosigkeit und die Unfähigkeit, dauerhaft in der Heimat oder bei sich selbst anzukommen.

Hasenclever verbindet in diesem Gedicht Naturbilder, exotische Motive und persönliche Erinnerung zu einer melancholischen Reflexion über die Unruhe des modernen Menschen. Die Sprache wechselt zwischen zarten, fast romantischen Bildern und einer rastlosen, beinahe resignativen Weltsicht, die dem Leser die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs spürbar macht.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.