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Mein Jüngling, du…

Von

Mein Jüngling, du, ich liebe dich vor allen,
Du bist mein eigen Bild, das mir erscheint!
Ich sehe dich in manchen Teufelskrallen;
Gewiss, du bist nicht glücklich, hast geweint.
Du liebst zu schmerzlich oder harrst vergebens,
Dein Vater, deine Wirtin macht dir Qual,
Du zuckst in der Verwildrung deines Lebens,
Dein Geist wird bürgerlich, dein Kopf wird kahl.
Willst du nicht mit mir gehn und mich erhören!
Sieh, auf die gleichen Klippen schwimm ich ein.
Einst auf Prärien, jetzt in Geisterchören
Will ich dich rufen und will bei dir sein!

Gedicht als Bild, zum Downloaden und Teilen

Gedicht: Mein Jüngling, du… von Walter Hasenclever

Kurze Interpretation des Gedichts

Das Gedicht „Mein Jüngling, du…“ von Walter Hasenclever thematisiert eine tiefe, fast existenzielle Verbindung zwischen dem Sprecher und einem jungen Mann, der als eine Art jüngeres Selbst oder als Spiegelbild des lyrischen Ichs erscheint. Bereits in der ersten Zeile wird die innige Zuneigung deutlich: „ich liebe dich vor allen“ – doch diese Liebe ist weniger romantischer, sondern vielmehr spiritueller oder identitätsbezogener Natur. Der Jüngling wird als „eigenes Bild“ beschrieben, das dem Sprecher erscheint, wodurch das Motiv der Selbstspiegelung entsteht.

Der junge Mann wird in einer Welt voller Leiden und Entfremdung gezeigt: Er steckt „in Teufelskrallen“, leidet unter unerfüllter Liebe oder gesellschaftlichen Zwängen, die ihn bedrücken – etwa durch „Vater“ oder „Wirtin“, die als Symbolfiguren für Autorität und Alltag stehen. Auch das Bild der „Verwildrung“ und der beginnenden „Bürgerlichkeit“ verweist auf den Verlust von Freiheit und jugendlicher Kraft, der sich körperlich im „kahlen Kopf“ andeutet. Hasenclever thematisiert hier die Bedrohung der inneren Freiheit durch Konvention und Resignation.

Der Sprecher bietet sich als Gefährte und Retter an: Er teilt das gleiche Schicksal, „schwimmt auf die gleichen Klippen ein“, und spricht aus der Position eines Gleichgesinnten, der den Lebensweg des Jünglings kennt und nachvollzieht. Dabei wird das Bild von der „Prärie“ – als Symbol für Freiheit – dem jetzigen „Geisterchor“ gegenübergestellt, was auf eine spirituelle Ebene oder eine existenzielle Krise verweist.

Hasenclever verbindet in diesem Gedicht expressionistische Themen wie Identitätsverlust, Verzweiflung und die Suche nach Verbündeten in einer fremd und bedrohlich gewordenen Welt. Die Ansprache an den Jüngling wirkt wie ein Aufruf zur Gemeinschaft im Widerstand gegen Anpassung und Vereinsamung. Damit spiegelt sich das Lebensgefühl einer Generation wider, die zwischen Aufbegehren und drohender Resignation oszilliert.

Weitere Informationen

Hier finden sich noch weitere Informationen zu diesem Gedicht und der Seite.

Lizenz und Verwendung

Dieses Gedicht fällt unter die „public domain“ oder Gemeinfreiheit. Gemeinfreiheit bedeutet, dass ein Werk nicht (mehr) durch Urheberrechte geschützt ist und daher von allen ohne Erlaubnis des Urhebers frei genutzt, vervielfältigt und verbreitet werden darf. Sie tritt meist nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist ein, z. B. 70 Jahre nach dem Tod des Autors. Weitere Informationen dazu finden sich hier.